Diskriminierung von Teilzeitkräften bei Überstundenzuschlägen
Regelung im Tarifvertrag ist unzulässig
Eine Regelung im Tarifvertrag, die für den Anspruch auf Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten – unabhängig von der individuellen Arbeitszeit – voraussetzt, diskriminiert Teilzeitmitarbeitende und ist damit unzulässig. Das geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hervor.
Laut BAG werden Teilzeitkräfte durch eine solche Regelung systematisch und unzulässig schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte behandelt. Zudem liegt regelmäßig auch eine mittelbare Diskriminierung des weiblichen Geschlechts gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, wenn in der betroffenen Gruppe der Teilzeitkräfte erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind, so das BAG.
Darum ging´s
Im vorliegenden Fall ging es um eine Überstundenregelung in einem Manteltarifvertrag (§ 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV). Ihr zufolge sollten Überstunden zuschlagspflichtig sein, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zur Auszahlung ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto möglich.
Das Arbeitszeitkonto einer Teilzeitmitarbeiterin wies Ende März 2018 ein Guthaben von rund 129 Stunden aus. In Anwendung des Manteltarifvertrages zahlte der Arbeitgeber für diese Zeiten weder Überstundenzuschläge noch nahm er eine Zeitgutschrift vor. Die Teilzeitbeschäftigte verlangte eine Zeitgutschrift und zudem die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Sie vertrat den Standpunkt, die Regelung im Manteltarifvertrag benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Arbeitgeber beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
Das Gericht entschied so
Das BAG sprach der Arbeitnehmerin sowohl die Zeitgutschrift als auch eine Entschädigung wegen Benachteiligung in Höhe von 250 Euro zu. Auf Grundlage der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs erklärte das BAG die umstrittene Tarifklausel für unwirksam, weil sie bei einer Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht.
Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung war für das BAG nicht ersichtlich. Den Anspruch auf eine Entschädigung begründete das BAG damit, dass die Teilzeitmitarbeiterin durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung eine mittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts erfahren habe. In dem Unternehmen umfasste die Gruppe der in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, zu mehr als 90 Prozent Frauen.
Quelle: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2024, 8 AZR 370/20).