Haftung bei Arbeitsunfällen
Beschäftigte sind gesetzlich gegen Arbeitsunfälle versichert. Dafür zahlen Unternehmen Beiträge an die Berufsgenossenschaft (BG).
Unternehmen haften nicht selbst für einen Arbeitsunfall – es sei denn, man weist der Firma Vorsatz nach.
Die gesetzliche Unfallversicherung nimmt Unternehmen einiges ab: Kommen Beschäftigte durch einen Arbeitsunfall zu Schaden, brauchen Unternehmen hierfür nicht aufzukommen. Die BG kümmert sich darum. Es wird Verletztengeld gezahlt, Behandlungs- wie Heilungskosten getragen und unter Umständen sogar eine Verletztenrente gewährt.
Ohne BG würden Unternehmen für all das selbst zur Kasse gebeten. Ein unkalkulierbares Risiko, weswegen die Last auf alle Schultern verteilt wird. Das gibt es natürlich nicht umsonst, es sind Beiträge abzuführen. Zum Ausgleich verspricht das Gesetz eine Haftungserleichterung: „Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatze des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem … versicherten Weg herbeigeführt haben.“
Das gesetzliche Haftungsprivileg ist eine sinnvolle Regelung, die die Unternehmenshaftung auf echte Vorsatzfälle beschränkt. Denn ohne Haftungsprivileg könnten Unternehmen von jeden Beschäftigten als Opfer eines Arbeitsunfalls direkt in Anspruch nehmen. Auch – und gerade – für Aspekte, die die gesetzliche Unfallversicherung nicht abdeckt: Schmerzensgeld und Schadenersatz.
Der Ausschluss des Haftungsprivilegs verlangt von Unternehmen doppelten Vorsatz (ständige Rechtsprechung, beispielhaft BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 AZR 471/12). Der Vorsatz muss sich zum einen auf die Verletzungshandlung beziehen, zum anderen auf den Verletzungserfolg. Das bedeutet: Selbst wenn Unternehmen vorsätzlich gegen Schutzvorschriften verstoßen, reicht das für eine persönliche Inanspruchnahme nicht, wenn nicht auch irgendwie die Herbeiführung des Arbeitsunfalls beabsichtigt worden ist.
Fall | Entscheidung |
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Arbeit unter Asbestbelastung bei Sanierung eines Gebäudes | kein Haftungsprivileg, weil Schädigung billigend in Kauf genommen (BAG, 20.06.2013 – 8 AZR 471/12) |
Fingerverlust bei Sägearbeiten mit unzureichend gesicherter Tischkreissäge | Haftungsprivileg, weil hier allenfalls Fahrlässigkeit angenommen werden konnte (LAG Hamm, 11.08.2006 – 13 Sa 282/06) |
Infektion mit Hepatitis-C-Erregern bei Krankenschwester, die sich während eines Diabetestests mit einer Lanzette verletzt hatte und erst spät über ihre Infektion informiert wurde | Haftungsprivileg, weil kein vorsätzliches Arbeitgeberverhalten feststellbar war (LAG Rheinland-Pfalz, 08.01.2009 – 2 Sa 481/08) |
Katerbiss in Tierklinik bei Hilfstierpflegerin anlässlich der Kastration eines renitenten Katers | Haftungsprivileg, weil Schaden nicht vorsätzlich herbeigeführt (LAG Hessen, 14.07.2009 – 13 Sa 2141/08) |
Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften bei Arbeiten mit Punktschweißgerät | Haftungsprivileg, weil Arbeitsunfall nicht vorsätzlich herbeigeführt (LAG Rheinland-Pfalz, 15.05.2014 – 5 Sa 72/14) |
Sturz vom Dach wegen ungesicherter Ausschnitte für Lichtkuppeln | kein Haftungsprivileg, weil bedingter Vorsatz unterstellt werden kann (OLG Oldenburg, 23.10.2014 – 14 U 34/14) |
Unfall auf Betriebsweg bei vom Arbeitgeber organisiertem Sammeltransport | Haftungsprivileg, weil nicht vorsätzlich herbeigeführt (LAG Schleswig-Holstein, 02.06.2009 - 5 Sa 41/09) |
Verkehrsunfall, nach dem der Arbeitgeber nicht dafür gesorgt hatte, dass die Identität des Verursachers festgestellt wurde | Haftungsprivileg, weil Unterlassen des Arbeitgebers für die Verletzung nicht ursächlich war (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 16.09.2008 – 2 Sa 119/08) |
Vorsatz ist Wissen und Wollen. Nimmt man Sie in die Haftung, müssen Sie die „Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in [Ihren] Willen aufgenommen haben“, sagt das BAG (Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 AZR 471/12). Auch wenn dabei bedingter Vorsatz ausreicht: Für die Annahme dieser Vorsatzvariante müssen Sie „die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen“ haben. „Die objektive Erkennbarkeit der Tatumstände“ allein – so das BAG – „reicht nicht.“
In die gleiche Kerbe schlägt das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 15. Mai 2014 – 5 Sa 72/14): Das gesetzliche Haftungsprivileg entfällt nicht allein deswegen, weil „ein bestimmtes Handeln, das für den Unfall ursächlich war, gewollt und gebilligt wurde, wenn der Unfall selbst nicht gewollt und gebilligt wurde.“
Selbst wenn Sie vorsätzlich Unfallverhütungsvorschriften missachtet hätten, würde Sie das allein nicht in die Haftung bringen. Dann mag die Herbeiführung des Arbeitsunfalls zwar bewusst fahrlässig gewesen sein, „rechtfertigt aber“ – meint das LAG – „nicht die Annahme bedingten Vorsatzes“ für den Verletzungserfolg.
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