Claudia Neumann im Interview: "Das macht mich wütend!"

Die Gewinnerin des Ehrenfelix 2018, Claudia Neumann, hat mit uns über ihre Darmkrebsdiagnose gesprochen und darüber, was sie aktuell ziemlich verärgert

Claudia Neumann ist 2015 an Darmkrebs erkrankt, hat sich zurück ins Leben gekämpft und engagiert sich seitdem für andere Betroffene, Aufklärung und Früherkennung. 2018 hat sie den Ehrenfelix der Felix-Burda-Stiftung erhalten und ihn als „Kampfansage“ verstanden. Mit uns hat sie darüber gesprochen, wie es ihr geht, wie der Krebs ihr Leben beeinflusst und was sie immer noch ziemlich wütend macht.

REdaktion Claudia, erste Frage vorweg: Wie geht es dir?

CLAUDIA Mir geht’s gut. Ich nehme meine Nachsorgen regelmäßig wahr und bekomme immer noch jedes Mal bestätigt, dass alles in bester Ordnung ist. 

Du warst gerade mal 28 Jahre alt, als du an Darmkrebs erkrankt bist. Wie hast du die Diagnose damals aufgenommen?

Das war ein absoluter Schock. Ich war in der Blüte meines Lebens. In dieser Situation war das ein absoluter Ruck an der Handbremse. Bei voller Fahrt auf der linken Spur, um mit den Worten einer Außendienstlerin zu sprechen. Ich habe, wie nahezu jeder, sofort an den Tod gedacht. Ich wusste im ersten Moment nicht, wie es jetzt weitergehen soll.

Die Diagnose Darmkrebs betrifft immer auch Angehörige. Wie sind Freunde und Familie mit deiner Krankheit umgegangen?

Freunde und Familie waren völlig bestürzt. Manchmal wusste ich nicht, ob ich mich zuerst um meine eigene Hilflosigkeit oder um die des Umfeldes kümmern soll. Das ist etwas, was mir hin und wieder auch Kraft geraubt hat. Da gab es Situationen, in denen ich so egoistisch geworden bin, dass ich aus meinem Umfeld dafür nicht immer Applaus geerntet habe. Aber in dieser speziellen existenziell bedrohenden Situation ging es nun mal nur um mich. Ich würde das jederzeit wieder so tun.

Dieses Jahr ist deine Diagnose 5 Jahre her. Nach aktuellen Leitlinien gilt man dann als tumorfrei. Was bedeutet das für dich persönlich?

CJeder spricht immer von diesen magischen fünf Jahren. Manchmal hört es sich für mich so an, als würde dann mit einem Fingerschnipp die Vergangenheit ungeschehen gemacht werden. Für mich persönlich war diese Erfahrung zu existenziell, um das Ende dieses Kapitels an einen fixen Zeitpunkt zu knüpfen. Ich bin gar nicht sicher, ob das überhaupt irgendwann endet. Denn alles, was der Krebs mit sich brachte, ist nun ein Teil meines Lebens geworden. 

Du engagierst dich nach wie vor für die Darmkrebsprävention. Was sind aktuelle Projekte und was treibt dich dabei an?

Natürlich stehe ich jederzeit nach wie vor der Felix Burda Stiftung zur Verfügung. Die Projekte drehen sich nicht alle zwingend ums Thema Darmkrebs. Durch den Felix Burda Award sind in den letzten Jahren aber viele Kontakte und Netzwerke entstanden. 

Ein immer noch andauerndes Projekt ist der Gesetzesentwurf zur Kryokonservierung. Denn obwohl ich häufig in den Medien lese, dass die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und Jens Spahn mit diesem Projekt so erfolgreich waren, ist es längst nicht so, dass die Finanzierung der Kosten geregelt ist. Wir erhalten nahezu täglich Zuschriften von Betroffenen, denen die finanziellen Mitteln von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Das ist aus verschiedenen Perspektiven völlig unnötig und macht mich wütend. Nach der ersten großen Euphorie in der Zusammenarbeit mit Jens Spahn befinden wir uns derzeit in einer sehr deprimierenden Durststrecke. 

Hinweis:

Wenn eine Leistung in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wird, ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dafür zuständig, die Details der Kostenübernahme festzulegen. Dazu gehören für die Kryokonservierung beispielsweise Altersgrenzen für die Inanspruchnahme oder Ausschlusskriterien für eine Behandlung. Aktuell befindet sich die Anpassung der entsprechenden Richtlinie in der Abstimmung beim G-BA.

Durch Früherkennung könnten die meisten Darmkrebsfälle verhindert oder rechtzeitig geheilt werden. Was kann jeder Einzelne für eine bessere Aufklärung und Vorsorge tun?

Ich denke, es wäre hilfreich, wenn niemand seine Gesundheit für selbstverständlich hält. Außerdem sollte man Vorurteile gegenüber Stomaträgern vermeiden. Das ist nichts wofür man sich schämen muss oder was einen im Alltag in irgendeiner Art und Weise massiv einschränken würde. Die Menschen sollten beginnen, sich auf sich selbst zu besinnen und sich dessen bewusst sein, dass die Hülle, in denen ihr Geist lebt, auch Pflege benötigt und hin und wieder vielleicht mal zur Untersuchung muss.

Jeder Einzelne sollte sich außerdem in der Hinsicht mal mit seiner familiären Belastung auseinandersetzen und beim kleinsten Verdacht zum Arzt gehen und seine Bedenken klar äußern. Bekommt man kein Gehör, sollte man den Arzt wechseln.

Vielen Dank für das offene und persönliche Interview, Claudia!

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