Diagnose Darmkrebs: Eine Angehörige berichtet

Wie die Tochter einer Darmkrebspatientin die Diagnose erlebte

Tanja P. ist Tochter einer Darmkrebspatientin und war gerade 14 Jahre alt, als sich ihr Leben von einer Sekunde zur nächsten völlig veränderte.

Eines Tages, meine Mutter war gerade für eine Operation ins Krankenhaus gekommen, kam mein Vater zu mir und sagte: "Wir müssen über Mama reden." Ich war sehr verwirrt, denn ich hatte meinen Vater noch nie so ernst erlebt. Er versuchte, mit mir zu reden, aber er konnte mir nicht die Wahrheit sagen. Das Einzige, das er sagte war, dass während der Operation meiner Mutter etwas gefunden worden sei, aber ich solle mir keine Sorgen machen. Das war alles. Ich bin ihm bis heute nicht böse deswegen, denn er selbst war völlig hilflos und überfordert mit dieser Situation.

Mein Vater wusste zu dieser Zeit schon vom Darmkrebs meiner Mutter, aber er war nicht in der Lage, von der Krankheit zu berichten, an der schon meine Oma und meine Uroma gestorben waren. Am nächsten Tag ging ich ins Krankenhaus, um meine Mutter zu besuchen. Als ich in ihr Krankenzimmer kam, sah ich eine Broschüre mit dem Titel "Darmkrebs" auf dem Tisch liegen.  Ich war völlig verwirrt und fragte meine Mutter, warum sie dieses Heft lese. Bis zu diesem Augenblick wusste ich immer noch nicht, was wirklich passiert war. Ich werde nie die Traurigkeit in den Augen meiner Mutter vergessen, als sie mich fragte, ob mein Vater nicht mit mir darüber gesprochen hätte.

In diesem Augenblick fiel ich in ein tiefes Loch. Durch diesen fürchterlichen Schock wurde mein ganzes bisheriges, wohlbehütetes Leben völlig aus der Bahn geworfen. Zum ersten Mal musste ich mich mit Dingen auseinandersetzen, mit denen ich mich noch nie vorher beschäftigt hatte. Klar hatte man mal gehört, der Opa eines Schulfreundes sei an Krebs verstorben oder eine Nachbarin hätte eine Krebserkrankung… Aber doch nicht meine Mutter, die immer gesund und der Mittelpunkt unserer Familie war.

Meine schulischen Leistungen gingen rapide bergab, und für einige Zeit konnte ich fast nichts mehr essen. Heute weiß ich, dass ich an einer Art Magersucht litt – die Angst, dass meine Mutter an der Krebserkrankung sterben könnte, nahm mir jede Lebensenergie.

Ich habe damals niemandem von meiner tiefen Verzweiflung erzählt, aber Gott sei Dank war meine Tante zu jeder Zeit für mich da, genauso wie eine Freundin meiner Mutter. Ohne diese Hilfe wäre diese schwere Zeit für mich noch viel schrecklicher gewesen.

Damals konnte ich vor lauter Verzweiflung keinen klaren Gedanken fassen. Heute weiß ich, dass man Krebs überleben kann und dass die Diagnose nicht immer das Todesurteil bedeutet. Angehörige leiden dabei genauso wie die Betroffenen selbst und es ist furchtbar schwer, zum "normalen" Leben zurückzufinden.