Cybermobbing bei Kindern und Jugendlichen

Diplom-Sozialpädagoge Clemens Beisel erklärt, warum dieses Thema gerade besonders aktuell ist, und gibt Tipps für Eltern.

Mobbing unter Kindern und Jugendlichen ist ein Phänomen, das sich immer mehr in die digitale Welt verlagert, zum Beispiel in soziale Medien oder in Chatgruppen. Diese Form des Mobbings wird Cybermobbing genannt und ist in jüngster Zeit zunehmend zu beobachten. Erschwerend kommt hinzu, dass während der Corona-Pandemie verstärkt über digitale Kanäle kommuniziert und auch unterrichtet wird. Clemens Beisel, Diplom-Sozial- und Medienpädagoge, erklärt, was typische Anzeichen für Cybermobbing sind, und hat praktische Tipps für Eltern und Lehrer, wie sie betroffene Kinder unterstützen können.

1. Was ist Cybermobbing? Definition des Begriffs

Was bedeutet Cybermobbing eigentlich genau? Cybermobbing ist die gezielte Beleidigung, Bloßstellung, Belästigung oder Bedrohung einer Person durch eine Personengruppe im digitalen Raum, also zum Beispiel in sozialen Medien oder Chatgruppen. Da diese überall und jederzeit zur Verfügung stehen, kann Cybermobbing rund um die Uhr stattfinden – im Gegensatz zum Mobbing in der realen Welt, das an der Haustür endet. Cybermobbing ist für betroffene Kinder und Jugendliche also ein ständiger Begleiter und eine permanente Belastung. Die mobbenden Mitschüler hingegen haben es relativ leicht, denn im digitalen Raum können sie auf Distanz bleiben und müssen sich nicht mit den Gefühlen ihres Gegenübers auseinandersetzen. Zudem hatten sie bislang selten Konsequenzen zu befürchten, da Eltern und Lehrer sich nicht im selben digitalen Umfeld bewegten und daher häufig nicht bemerkten, was dort gerade geschah.

2. Wie wirkt sich Corona auf Cybermobbing aus?

Im Verlauf der Corona-Pandemie führen Schulen zunehmend digitalen Unterricht durch. Videokonferenzsysteme wie Microsoft Teams kommen zum Einsatz. Das hat zur Folge, dass Cybermobbing vermehrt in den digitalen Kanälen des Schulalltags stattfindet – dort, wo Lehrer auf das Verhalten ihrer Schüler aufmerksam werden können. Clemens Beisel führt in diesem Zusammenhang eines der Cybermobbing-Beispiele an, die ihm von Lehrern berichtet wurden: Einer mit ihm befreundeten Lehrerin war vor Corona nicht bewusst, dass einer ihrer Schüler Schwierigkeiten hatte – bis sie im Chatbereich des Videokonferenzsystems die Kommentare der Mitschüler las. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde ihr klar, dass sie einen Fall von Cybermobbing in der Klasse hatte und sie als Lehrerin einschreiten musste. Neben der vermehrten Nutzung digitaler Lösungen im Schulalltag ist auch die Internetnutzung bei Kindern und Jugendlichen insgesamt seit Beginn der Pandemie stark angestiegen – auch dies ein Grund für die Zunahme von Cybermobbing. Denn je mehr Zeit Kinder und Jugendliche im Netz verbringen, desto mehr Gelegenheiten für Cybermobbing können entstehen.

3. In welchem Alter tritt Cybermobbing auf?

Zu Cybermobbing kann es kommen, sobald Kinder über ein Smartphone verfügen und damit unbeaufsichtigt kommunizieren. Clemens  Beisel beobachtet die meisten Fälle von Cybermobbing in den Klassenstufen 5, 6 und 7 und nennt zwei Gründe für das Auftreten in diesen Altersgruppen: Zum einen haben Kinder noch wenig Erfahrung mit schriftlicher Kommunikation, zum Beispiel per WhatsApp – der digitale Austausch ist noch gar nicht ausreichend bekannt und eingeübt. Zum anderen reagieren Kinder vor und in der Pubertät häufig noch sehr impulsiv, sie reflektieren und kontrollieren ihre Handlungen nicht so wie ältere Jugendliche oder Erwachsene. Umso wichtiger ist es laut Beisel, dass Eltern über die Handyaktivitäten ihrer Kinder Bescheid wissen, um gegebenenfalls eingreifen zu können.

4. Was passiert beim Cybermobbing? Beispiele aus der Praxis

Clemens Beisel ist häufig in Schulen zu Gast und erfährt dort viel über Cybermobbing im Schulalltag. Cybermobbing-Beispiele aus seiner Praxis sind Fotos und Videos von Schülern, die von anderen verbreitet und mit denen die Betroffenen bloßgestellt werden. Geboomt hat Beisel zufolge in der Pandemie auch die Social-Media-Plattform TikTok, auf der schon einige Grundschüler Videos posten. Das Problem dabei: Die vormals „coolen“ Videos gelten später, in der Pubertät, als „peinlich“. Mögliche Folge: Der Schüler, der sie gepostet hat, ist plötzlich dem Spott seiner Mitschüler ausgesetzt und muss miterleben, wie seine „peinlichen“ Videos verbreitet werden. Cybermobbing findet nach Beisels Erfahrung auch in WhatsApp-Gruppen statt: In einem Fall wurde eine Schülerin gezielt ausgegrenzt, indem die anderen Teilnehmer ihre Schreibrechte blockierten, sodass sie die Lästereien zwar sehen, aber nicht kommentieren konnte – ein auch für Clemens Beisel schwerwiegender Fall von Cybermobbing.

5. Woran erkennt man, dass ein Kind von Cybermobbing betroffen ist?

Clemens Beisel beobachtet bei Kindern, die von Cybermobbing betroffen sind, häufig Verhaltensänderungen: Entweder werden die Kinder still und ziehen sich zurück oder sie reagieren aggressiv. Auch wenn Kinder ihre Eltern plötzlich nicht mehr aufs Handy schauen lassen wollen, kann es sich um ein Anzeichen für Cybermobbing handeln. Daher rät er, auf das Verhalten von Kindern zu achten und bei auffälligen Veränderungen den Austausch mit anderen Eltern oder Lehrern zu suchen. Im besten Fall ist die Beziehung von Kindern zu den Bezugspersonen so gut, dass sie sich diesen von selbst anvertrauen, wenn etwas nicht stimmt. Dazu können Eltern und Lehrer Kinder immer wieder ermutigen.

6. Wie können Kinder geschützt werden?

Ein guter Schutz ist für Clemens Beisel, es gar nicht erst zu Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen kommen zu lassen. In der Schule sind dafür Austauschformate wie der Klassenrat geeignet, die Gelegenheit bieten, Konflikte zu bearbeiten, ehe es zu Cybermobbing kommt. Gerade in Zeiten von Corona fallen diese Austauschformate jedoch häufig weg. Daher sollten Eltern verstärkt auf die Aktivitäten ihrer Kinder im digitalen Raum achten. Sinnvoll ist es laut Expertem auch, mit Kindern zu verabreden, alle drei bis vier Tage gemeinsam einen Blick auf die genutzten sozialen Medien zu werfen und zu besprechen, was dort geschieht. Auf diese Weise können viele Fälle von Cybermobbing rechtzeitig erkannt und klare Regeln für die Kommunikation eingeübt werden. Dass Kindern die elterliche Kontrolle nicht immer gefällt, ist Beisel klar: „Manchmal macht man sich bei seinem Kind nicht gerade beliebt.“ Wichtig ist es für ihn dennoch, den Medienkonsum zu regulieren. So können Eltern gemeinsam mit ihren Kindern regelmäßig die Anzahl der geschriebenen und empfangenen Nachrichten und die vor dem Bildschirm verbrachte Zeit überprüfen – ein guter Weg, um die Übersicht über den Medienkonsum zu behalten und einer möglichen Mediensucht vorzubeugen. Wenn bereits ein Fall von Cybermobbing vorliegt, sollten Eltern sich Unterstützung zum Beispiel bei Lehrern, Schulsozialarbeitern oder Erziehungsberatungsstellen holen. Je nach Ausmaß des Cybermobbing-Falls kann auch die Polizei der richtige Ansprechpartner sein. In jedem Fall aber sollten die Eltern ein offenes Ohr haben, jeden Verdacht ernst nehmen und aktiv werden.

7. Welche Konsequenzen hat Cybermobbing? Strafen und was sie bewirken

Grundsätzlich ist alles, was „im echten Leben“ strafbar ist, auch im digitalen strafbar – zum Beispiel Beleidigung oder üble Nachrede. Bei Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren handelt es sich jedoch um nicht strafmündige Personen, was juristische Konsequenzen ausschließt. Clemens Beisel betont aber, dass stattdessen pädagogisch interveniert werden kann, zum Beispiel indem das Jugendamt, ein Familienhelfer oder ein Sozialpädagoge eingeschaltet wird. Anders ist es bei Jugendlichen ab 14 Jahren, die bereits juristisch belangt werden können: Cybermobbing-Strafen bestehen hier beispielsweise in der Ableistung von Sozialstunden in gemeinnützigen Einrichtungen. Generell spricht sich Beisel dafür aus, Kindern und Jugendlichen deutlich zu machen, wie ihr Handeln einzuordnen ist: „Oft bleiben Mobber unbestraft und es ist ihnen gar nicht bewusst, dass ihr Handeln juristische Konsequenzen haben könnte.“ Er sieht den Sinn einer Cybermobbing-Strafe insofern in ihrer aufklärerischen Wirkung: „Das, was ihr da macht, sind eigentlich Straftaten“, ist die Botschaft, die für einige Kinder und Jugendliche seiner Meinung nach wichtig ist.

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Clemens Beisel

ist Diplom-Sozialpädagoge und M.A. Sozialmanager.

Er hat sich als Medienpädagoge selbstständig gemacht. Beisel arbeitet mit Schülern, Eltern und Lehrern und bietet Workshops rund um das Thema digitale Medien an. Dabei geht es unter anderem um gesunde Mediennutzung, Cybermobbing, Mediensucht und Datenschutz. Weitere Informationen über Clemens Beisel finden Sie hier.

Mehr Informationen, wertvolle Tipps, sinnvolle Apps

Für Kinder, Eltern, Pädagogen: Wie digitale Medien kompetent genutzt werden
www.klicksafe.de

Für Kinder und Jugendliche: Wie der sichere Umgang mit Smartphones funktioniert
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Außerdem unterstützt Sie die Google Family Link App dabei, Regeln mit Ihren Kindern für den Umgang mit digitalen Medien zu vereinbaren.

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