"Diese Diagnose bedeutet nicht, dass wir nicht mehr lachen, leben und fröhlich sein dürfen"

Ehrenfelix-Gewinnerin Susanna Zsoter im bewegenden Interview über die Diagnose Darmkrebs und wie sie damit umgeht.

Dieses Interview hat die SBK bereits im April 2020 mit Susanna Zsoter geführt.

2015 – mit gerade mal 28 Jahren erhält Susanna Zsoter die Diagnose Darmkrebs. Doch die junge Frau lässt sich nicht unterkriegen und nimmt ihr Leben in die Hand. Sie spricht anderen Betroffenen Mut zu – und gibt ihnen gemeinsam mit Gleichgesinnten ganz konkrete Hilfestellungen. Dieses Engagement wurde nun belohnt, Susanna Zsoter ist die Preisträgerin des Ehrenfelix 2020. 

REDAKTION Zuerst einmal: Wie geht es dir?

Susanna Zsoter Mir geht es so weit ganz gut, vielen Dank. Ich bin zwar Palliativpatientin, aber gesundheitlich bin ich derzeit stabil. Ich kann meine Zeit nutzen, um eine gute Zeit zu haben und viele schöne Erinnerungen zu sammeln.

R Herzlichen Glückwunsch zum Ehrenfelix 2020. Was bedeutet dir diese Auszeichnung? 

SZ Vielen Dank. Ich bin unheimlich stolz auf die Auszeichnung, weil sie bestätigt und belohnt, dass es der richtige Weg ist, den ich mit meinen Engagements gehe. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, anderen Menschen zu helfen, aber auch zu zeigen, wie wichtig es ist, bereits als junger Mensch auf die Signale des Körpers zu hören. Deshalb ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, Darmkrebs ein junges Gesicht zu geben. 

Deshalb ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, Darmkrebs ein junges Gesicht zu geben.

Das Coronavirus beschäftigt uns aktuell alle. Durch deine Vorerkrankung gehörst du zu den sogenannten Risikogruppen, für die eine Infektion besonders gefährlich ist. Welche Auswirkungen hat das auf dein tägliches Leben und wie gehst du damit um?

SZ Natürlich beschäftigt mich das Coronavirus in besonderem Maße. Ich befinde mich seit geraumer Zeit zu Hause, um mich vor einer Ansteckung zu schützen. Mein Alltag wurde komplett umgekrempelt. Ich verbrachte bis vor dem Virus mindestens drei Tage in der Woche beim Sport. Ich pflegte soziale Kontakte, auch mein App-Projekt bestand bisher aus Präsenztreffen. Nun fällt all dies weg, selbst meine Einkäufe werden für mich erledigt.
Aber so langsam habe ich mich eingegroovt. Ich mache nun Home-Workouts, habe kleine Routinen geschaffen, telefoniere und schreibe mit meinen Freunden und kümmere mich um Projekte, die ich gut von zu Hause machen kann. 

Gerade nachdem das Ausmaß von Corona innerhalb kürzester Zeit drastische Auswirkungen annahm, hatte ich sehr viele Sorgen und Ängste. Wird meine Therapie wie gewohnt weiterlaufen? Was ist, wenn ich erkranke? Bekomme ich als Risikopatientin bei schwerer Erkrankung noch einen Beatmungsplatz? Sind meine Liebsten ausreichend geschützt? Solche Gedanken können die Psyche zerfressen. Deshalb habe ich mein Informationsverhalten geändert und lese nur noch zwei Mal täglich die Nachrichten seriöser Medien, um auf dem aktuellen Stand zu sein. 

Es gibt aber auch positive Auswirkungen. Ich habe nun ganz viel Zeit, Neues zu lernen, Pflanzen für den Balkon zu säen, ihnen beim Wachsen zuzusehen oder mich ausgiebig beim Kochen auszutoben. 
 

Was wirklich zählt, sind die Erinnerungen.

Du warst erst 28 Jahre alt, als du die Diagnose Darmkrebs erhalten hast. Wie bist du damit umgegangen und wie hat die Diagnose dein Leben verändert?

SZ Vor meiner Erkrankung war ich sehr stark auf den beruflichen Erfolg fixiert, studierte berufsbegleitend und hatte nie viel Freizeit. Viele meiner Träume und Wünsche verschob ich auf später. Und dann hätte es beinahe kein „Später“ mehr gegeben. Anfangs fühlte ich mich um mein Leben betrogen. Mit der Zeit nahm ich mein Schicksal mithilfe meines Partners an und begann, im Hier und Jetzt zu leben. Nicht der berufliche Erfolg ist das Wichtigste, auch nicht Statussymbole oder ein besonders gutes Gehalt. Was wirklich zählt, sind die Erinnerungen. Mit schönen Erlebnissen, Freude und etwas Humor lässt sich auch das schwerste Schicksal leichter tragen.  

R Was macht dir in schweren Zeiten Mut, was gibt dir Kraft, wenn du zum Beispiel schlechte Ergebnisse erhältst oder dir die Nebenwirkungen der Therapie zu schaffen machen?

SZ Wichtig ist es, auch die negativen Gedanken wahrzunehmen und zu akzeptieren, sich an ihnen aber nicht festzubeißen. Ich habe mir Ventile gesucht, bei denen ich Negatives loswerde und gleichzeitig so viel Freude verspüre. Klettern und Bouldern sind für mich ein solches Ventil. In diesen Momenten lebe ich am intensivsten.

Das Reisen und Kennenlernen neuer Kulturen hilft mir, schöne Erinnerungen zu sammeln. Gerade in schlechten Momenten, beispielsweise wenn mich Nebenwirkungen zur Ruhe zwingen, zehre ich sehr von diesen Erinnerungen. Das gibt mir auch in dunklen Stunden viel Kraft. 
 

R Du engagierst dich bei den „Health Hackers e.V.“ und hast die Community „Cancer Unites“ ins Leben gerufen. Was treibt dich bei diesen Projekten an?

SZ Als junge Krebskranke habe ich mich wie ein Exot gefühlt. In meiner Lebensphase beschäftigen mich ganz andere Themen als viele der alten Menschen, ich habe auch ein anderes Informationsverhalten. 

Im Austausch mit anderen Krebsbloggern, Betroffenen und Angehörigen stellte ich fest, dass es uns allen ähnlich geht. Wäre es nicht so viel einfacher, wenn es ein Netzwerk gäbe, in dem diese Erfahrungen, das Wissen und die richtigen Anlaufstellen gebündelt wären? So entstand die Idee für Cancer Unites. Wir bieten (Neu-)Erkrankten und Angehörigen einen Überblick im Krebs-Dschungel. Das ist eine sehr sinnstiftende Aufgabe.

R Was möchtest du an Darmkrebs erkrankten Menschen mitgeben?

SZ Ich wünsche allen Darmkrebspatienten zuallererst, dass die Behandlungen und Therapien sehr gut anschlagen. Und ich kann jedem nur raten, alle Möglichkeiten mitzunehmen, die es zusätzlich gibt: von der Ernährungsberatung über psychoonkologische Gespräche bis hin zur onkologischen Sporttherapie. Ganz besonders liegt mir am Herzen, ihnen Mut zuzusprechen: Eine Krebsdiagnose ist schlimm und sie stellt das Leben auf den Kopf. Doch das bedeutet nicht, dass wir nicht mehr lachen, leben und fröhlich sein dürfen. Tut, was euch guttut. Und bitte vergesst nie: Das Leben ist schön. Trotz allem.

R Vielen Dank, Susanna Zsoter, für dieses inspirierende Interview!

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