Endometriose: Symptome sind oft vielfältig
Viele Frauen sind von Endometriose betroffen. Die Erkrankung wird häufig erst spät diagnostiziert. Ein Facharzt klärt auf.
Wenn ein Arzt die Diagnose „Endometriose“ stellt, sind viele Frauen im ersten Moment überrascht.
Redaktion: Herr Dr. Pfützenreuter, fast jede zehnte Frau ist von Endometriose betroffen, eine Erkrankung, die Ärzte lange unterschätzt haben. Was ist ihre Ursache?
Dr. Pfützenreuter: Im Laufe des Zyklus der Menstruation baut sich die Gebärmutterschleimhaut in der Gebärmutter unter Einfluss der Geschlechtshormone auf und wird dann, wenn keine Schwangerschaft eingetreten ist, mit der Regelblutung wieder ausgestoßen. Im Fall von Endometriose kann sich das Gewebe der Schleimhaut jedoch außerhalb seines Ursprungortes ansammeln. Es setzt sich zum Beispiel an die Eileiter, Eierstöcke, am Bauchfell oder an der Blase an. Auch nach Operationen am Unterleib kann es passieren, dass sich die Gebärmutterschleimhaut auf diese Weise ausbreitet.
Diese „Schleimhautinseln“ werden jedoch weiterhin vom Hormonzyklus beeinflusst. Die Frau menstruiert daher auch an diesen Stellen, an denen Blutansammlungen entstehen können. Dadurch können sich Zysten und Entzündungen bilden. Das kann sogar eine Verklebung von Organen zur Folge haben. Endometriose breitet sich ähnlich aus wie Krebszellen – nur ist sie nicht bösartig.
R Welche Symptome deuten auf die Endometriose hin?
Dr. P Die realen Symptome sind vielfältig. Auffällig sind starke, krampfartige Schmerzen in Zeiten der Periode. Es kommt typischerweise auch zu einer Phasenverschiebung. Die Beschwerden setzen ein, zwei Tage vor der Periode ein und enden kurz danach wieder. Hinzu kommt ein Völlegefühl im Bauch begleitet von Blutungen im Stuhl und im Urin. Weitere Indikatoren können Schmerzen beim Geschlechtsverkehr in bestimmten Stellungen sein. Da Unfruchtbarkeit eine mögliche Folge der Endometriose sein kann, wird die Krankheit häufig im Laufe einer Hormonuntersuchung diagnostiziert.
R Welche Auswirkungen hat Endometriose auf die Patientinnen?
Dr. P Zuerst einmal haben sie starke Beschwerden. Diese können zudem auch zu psychischen Beeinträchtigungen führen. Frustrierend kann es auch sein, wenn man sich nicht ernst genommen fühlt. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu einer Chronifizierung kommen, was dazu führen kann, dass auch andere Organe betroffen sind.
R Mit welchen Methoden wird eine Endometriose-Diagnose gestellt?
Dr. P Generell gilt erst mal die Regel, dass gerade bei jüngeren Frauen noch umfangreicher diagnostiziert und therapiert werden sollte. Gerade wegen des Risikos einer möglichen Unfruchtbarkeit. Entscheidend ist eine Bauchspiegelung. Sie ist die direkteste Methode und nach meiner Erfahrung besser als andere bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder MRT. Der Arzt führt bei der Bauchspiegelung nach einem Schnitt in Höhe des Bauchnabels einen Stab mit einer winzigen Videokamera und Lampe in die Bauchhöhle ein. Mithilfe der Kamera lassen sich Herde und Verwachsungen der Endometriose erkennen.
R Worauf kommt es bei einer passenden Endometriose-Behandlung letztlich genau an?
Dr. P Wie bei anderen Erkrankungen gilt auch bei der Endometriose, dass eine rechtzeitige Therapie die besten Aussichten für Beschwerdefreiheit hat. Es kommt darüber hinaus darauf an, wie stark das Ausmaß der Wucherungen ist, wo sie sich befinden und in welchem Alter die Patientin ist. Zur Auswahl stehen operative und medikamentöse Behandlungen, oft in Kombination.
Ziel einer Endometriose-OP ist es, die Gewebeherde zu beseitigen und zu verhindern, dass sich neue bilden. In einzelnen Fällen kann es sogar angebracht sein, Teile des Darms zu entfernen. Ergänzend kann für die Frauen eine Hormonbehandlung sinnvoll sein. Da das Östrogen wesentlich für das Wachstum der Schleimhaut und damit der Ausbreitung der Krankheit ist, versucht man, hier hormonell gegenzusteuern. Empfehlenswert sind zudem Folgeuntersuchungen. Manchmal kommt es auch zu weiteren Behandlungen.
R Laut einer neuen Studie könnten Fusobakterien der Auslöser für Endometriose sein. Wie schätzen Sie das ein?
Dr. P Die Ursache, warum Endometriose entsteht, ist immer noch wenig beleuchtet. Vor diesem Hintergrund muss man dankbar sein um jeden zusätzlichen Erklärungsansatz. Wissenschaftliche Studien, wie diese jetzt aus Japan, sind also sehr hilfreich. Die Erkenntnis, dass Fusobakterien – Keime, die ohne Sauerstoff normalerweise in der Mundhöhle gedeihen – eine Rolle spielen könnten, ist eine interessante Beobachtung. Für mich ist die Studie auch valide, sie ist umfangreich genug und hat eine Vergleichsgruppe. Jetzt muss man natürlich an dieser Stelle weiterforschen. Inwieweit die neuen Erkenntnisse Einfluss auf den Praxisalltag haben werden, wird sich noch zeigen. Aber die Vorstellung, Endometriose in Zukunft vielleicht mit einem Antibiotikum zu behandeln, ist durchaus spannend.
R Vielen Dank, Herr Dr. Pfützenreuter, für das sehr interessante Interview.