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Familiärer Brust- und Eierstockkrebs

Das persönliche Risiko kennen

Artikel nach Kategorien filtern #Frauengesundheit #Krebs #Familiengesundheit #Erkrankungen #Medizin #Vorsorge
unsplash.com/Vlad Kutepov

Gibt es in einer Familie mehrere Fälle von Brust- und Eierstockkrebs, kann das genetische Ursachen haben. Klarheit gewinnen betroffene Frauen und Familienmitglieder durch umfassende Beratung und Betreuung – und gegebenenfalls mit einem Gentest. Denn das persönliche Risiko ist Basis für individuelle Vorsorgemaßnahmen.

Bei etwa 30 Prozent aller Frauen mit Brust- und Eierstockkrebs beobachten Ärzte eine familiäre Häufung oder ein verhältnismäßig junges Erkrankungsalter. Bei etwa einem Viertel dieser Frauen beruht die Erkrankung auf angeborenen Veränderungen, also Mutationen in bestimmten Genen. Meist ist es das sogenannte BRCA1- oder BRCA2-Gen. 
Die gute Nachricht: SBK-Kundinnen haben in diesem Fall Anspruch auf eine Beratung in einem der 21 universitären Zentren des Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs. Im Rahmen der Beratung bekommen betroffene Frauen Klarheit in der Entscheidung für oder gegen einen Gentest sowie Unterstützung, falls ein genetisches Risiko festgestellt wird. Nicht anders als bei allen Krebserkrankungen gilt auch bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs: Je früher sie erkannt werden, desto höher sind die Heilungschancen.
 

Wie eine Beratung abläuft

Zunächst erstellt das Brustkrebszentrum in einem telefonischen Beratungsgespräch eine Anamnese der betroffenen Frau und ihrer Familie. Wenn sich dabei ein erhöhtes Risiko abzeichnet, bekommt die Frau einen persönlichen Beratungstermin.  
Im persönlichen Gespräch wird dann ein Stammbaum über drei Generationen erstellt: Darin sind Informationen wie das Alter aller lebenden Familienangehörigen, das Todesalter der verstorbenen Familienangehörigen sowie die Diagnose und das Alter, in dem ein Familienangehöriger an Krebs erkrankt ist. Die Ärztin berechnet das individuelle genetische Risiko dann mithilfe eines wissenschaftlichen Programms zur Risikokalkulation. Im Beratungsgespräch erklärt die Ärztin dann die genetischen Hintergründe des erblichen Brust- und Eierstockkrebses sowie die Möglichkeiten, Risiken und möglichen Konsequenzen der Gendiagnostik. Zudem informiert sie über Früherkennungsmaßnahmen, prophylaktische Operationen und Behandlungsmöglichkeiten. Die Ergebnisse der Risikofeststellung und des Beratungsgesprächs bekommt die betroffene Frau innerhalb von vier Wochen schriftlich mitgeteilt. 
Sollte sich auf Basis der Familienanamnese ein erhöhtes Brust- oder Eierstockkrebs-Risiko für die betroffene Frau ergeben, kann sie nach ausreichender Bedenkzeit eine Genanalyse durchführen lassen. 

Gut zu wissen: Die Entscheidung für oder gegen den Test steht jeder Frau frei und sie kann diese in Ruhe treffen. Wer sich überfordert fühlt, kann psychologische Unterstützung in Anspruch nehmen. „Wir raten unseren Versicherten dazu, die Entscheidung für oder gegen einen Gentest gründlich zu durchdenken und sich alle Konsequenzen bewusst zu machen. Wichtig ist, sich dafür Zeit zu nehmen und sich nicht drängen zu lassen. Ein Beratungsgespräch kann hier helfen. Ich bin der festen Überzeugung, dass jede Frau individuell entscheiden muss, was für sie und ihre Familie am besten ist, wenn sie die Vor- und Nachteile kennt. Wir helfen unseren Kundinnen daher dabei, sich umfassend aufklären und professionell beraten zu lassen“, sagt Fachexpertin Christina Bernards von der SBK. 
 

Wie geht es nach dem Gentest weiter?

Je nach nachgewiesener Genmutation wird das persönliche Risiko berechnet, wobei weitere Risikogene und Faktoren wie das Lebensalter mit einbezogen werden. 

Wenn eine nachgewiesene Genmutation festgestellt wurde, gehört ein intensiviertes Brustkrebs-Früherkennungsprogramm, das dem persönlichen Risiko entspricht, für betroffene Frauen zu den kostenlosen Mehrleistungen für SBK-Kunden. In diesem Früherkennungsprogramm sind dann - je nach Risiko - halbjährliche oder jährliche Besuche in einem zertifizierten Krebszentrum mit Untersuchungen wie Ultraschall, Mammographie oder Kernspintomographie vorgesehen. Wenn die Berechnung ein stark erhöhtes Risiko für Brust- oder Eierstockkrebs ergibt, kann der Arzt die vorbeugende Entfernung des Brustdrüsengewebes oder der Eierstöcke empfehlen. Auch mit dieser Entscheidung werden die Frauen nicht allein gelassen, sondern erhalten eine umfassende Beratung und gegebenenfalls psychologische Unterstützung.

Gerade junge Frauen, die ihre Familienplanung noch vor sich haben, profitieren in diesem Fall vom Erfahrungsschatz und Wissensstand der Unikliniken und der individuellen Beratung. Diffuse Pauschalaussagen wie „ein lebenslang erhöhtes Risiko von xy Prozent“ sind längst Vergangenheit, denn das Erkrankungsrisiko steigt mit zunehmendem Alter, verändert sich also im Laufe des Lebens. Die Entscheidung für eine Operation kann in vielen Fällen also durchaus mit der Familienplanung abgestimmt werden. Deshalb wird der Fokus in der Beratung immer auf die darauffolgenden zehn Jahre gelegt. Selbst für Patientinnen der Hochrisikogruppe muss eine vorbeugende Entfernung der Eierstöcke oder des Brustdrüsengewebes nicht überstürzt werden. Prof. Dr. Rita Schmutzler, Direktorin des Zentrums Familiärer Brust und Eierstockkrebs der Uniklinik Köln und Koordinatorin des Konsortiums der spezialisierten universitären Zentren, erklärt: „Es gibt für die Frau immer drei Möglichkeiten, nicht nur zwei. Sie kann Ja sagen oder Nein, aber vor allem auch: nicht jetzt, sondern später!“ 
 

Proaktiv die Kontrolle übernehmen und gut informiert entscheiden

Wir haben Prof. Dr. Rita Schmutzler gefragt, wie die betroffenen Frauen mit dem Beratungsangebot umgehen. Ihre Erfahrung zeigt, dass nahezu jede Betroffene sich nach ausführlicher Beratung für einen Gentest und damit gegen die Ungewissheit entscheidet. Auch während der etwa vier Wochen Wartezeit auf das Ergebnis ändern die wenigsten ihre Meinung. 

SBK-Kundin Katrin Lindner hat einen Beratungstermin am Universitätsklinikum Köln wahrgenommen. Aufgrund geringer Anhaltspunkte für ein familiäres Risiko war eine genetische Testung nicht angezeigt. Katrin Lindner: „Hätte die Ärztin uns einen Gentest empfohlen, würde ich ihn in jedem Fall in Anspruch nehmen.
Ich würde Klarheit wollen und die Chance der Früherkennung und rechtzeitigen Behandlung auf jeden Fall nutzen wollen. Außerdem würden meine Ergebnisse anonym in die Forschung einfließen und so mehr Daten für die stetige Verbesserung der Betreuung zur Verfügung stehen.“

Prof. Schmutzler hat in den zwanzig Jahren seit Gründung des Konsortiums einen deutlichen Wandel in der Haltung betroffener Frauen wahrgenommen: „Junge Frauen gehen heute proaktiv mit dem genetischen Risiko um, weil das Wissen ihnen die Kontrolle gibt, während die Ungewissheit eher Angst macht. Wer sein Risiko kennt, kann sich mit unseren, auf die persönliche Situation ausgerichteten Handlungsempfehlungen eigenverantwortlich und gut informiert entscheiden – für sinnvolle Früherkennungs- und Vorsorgemaßnahmen.“  Die Medizinerin beobachtet noch weitere positive Folgen des Gentests. So fühlen sich Frauen in dieser Situation mit ihren Sorgen ernst genommen und oftmals auch von dem diffusen Schuldgefühl befreit, sie könnten die Erkrankung möglicherweise durch ihre Lebensführung begünstigt haben. Zudem kann der Test auch entlasten, wenn keine Mutation nachweisbar ist. 
 

Erfahren, was getan werden kann, bedeutet Wissen statt Angst

Mit ihrem persönlichen, risikoadaptierten Früherkennungsprogramm hat jede Frau mit einer Genmutation die Möglichkeit, ihre Gesundheitsvorsorge aktiv in die Hand zu nehmen, und weiß sich bei ihren Besuchen in einer Uniklinik oder einem der regionalen, ausgewiesenen Krebszentren in guten Händen. Die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen beim behandelnden Gynäkologen sollten weiterhin wie gewohnt wahrgenommen werden. Vielen betroffenen Frauen hilft es auch, sich dem BRCA-Netzwerk e.V. zur Selbsthilfe anzuschließen und sich dort mit anderen Betroffenen auszutauschen. 

Der BRCA-Gentest und das risikoadaptive Früherkennungsprogramm des Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs in den deutschlandweit 21 Zentren ist für SBK-Kundinnen kostenfrei. Prof. Schmutzler betont die Besonderheit dieser Situation: „Wir sind sehr dankbar, dass Krankenversicherer wie die SBK unsere Leistungen anerkennen und in ihr Angebot aufnehmen.“
 

Das Konsortium Familiärer Brust und Eierstockkrebs

Das Deutsche Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs ist ein Zusammenschluss von spezialisierten Zentren innerhalb der Universitätskliniken von 21 deutschen Städten. Ziel ist es, die Beratung und Versorgung von Hochrisikofamilien auf diesem Gebiet bundesweit zu etablieren und auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse stetig zu verbessern. Die Zentren arbeiten eng mit regionalen, von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Brust- und gynäkologischen Krebszentren zusammen. Mehr Informationen unter www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de

Innovationsfondsprojekte

Um die Qualität der Beratung und Entscheidungshilfe zum Thema Familiärer Brust- und Eierstockkrebs weiter zu verbessern, hat der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zwei Projekte gefördert:

An der Charité in Berlin wurde das Online-Beratungstool I-KNOW entwickelt. Es soll die Menge der komplexen Informationen verständlich aufbereitet und klar strukturiert darstellen, sodass Betroffene auch außerhalb der persönlichen Beratung jederzeit Antworten auf für sie persönlich wichtige Fragen finden.

Ferner wird an sechs Zentren des Konsortiums (Köln, München, Dresden, Ulm, Heidelberg und Kiel) unter Leitung des Kölner Zentrums in einer Studie das personalisierte Entscheidungscoaching bzw. die Unterstützung durch Entscheidungshilfen nach Genbefundmitteilung erprobt: Spezialisiertes Pflegepersonal steht Betroffenen mit Beratung und umfassendem Infomaterial während der fordernden Entscheidungsphase zur Inanspruchnahme präventiver Maßnahmen, wie zum Beispiel der prophylaktischen Brustdrüsenentfernung, zur Seite. 
Beide Projekte haben das Ziel, die Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortlichkeit der Patientinnen zu stärken. 

Wenn Gentest, dann mit qualifizierter Beratung

Prof. Rita Schmutzler rät dringend davon ab, für einen Gentest auf private Anbieter aus dem Internet zurückzugreifen. Die Fülle komplexer humangenetischer Informationen ist ohne qualifizierte Beratung und Betreuung weder verständlich noch hilfreich und eher dazu geeignet, die Empfängerin mangels Interpretationsmöglichkeit ratlos zu machen. Zudem befähigt die Wissensdatenbank des Konsortiums die Fachärzte, individuelle Handlungsempfehlungen auszusprechen und zu begleiten.

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