Gesunde Kleidung

Wie sich Chemikalien in Textilien auf die Gesundheit auswirken und wie Sie sich schützen können

70 Prozent Polyester, 30 Prozent Baumwolle. Nur bei 30 Grad waschen. Hergestellt in China, Bangladesch oder Portugal. Das Etikett an unserer Kleidung gibt Aufschluss über Material, Herkunft und Pflege. Aber über eins gibt es uns keine Auskunft: welche Chemikalien sich in unseren Hemden, Hosen, Röcken und Co. befinden.

Wie schädlich ist unsere Kleidung?

Chemikalien und Textilherstellung gehen heute Hand in Hand. Unterschiedliche Substanzen sorgen zum Beispiel für Knitterfreiheit und Atmungsaktivität. Kleidung kann wasserabweisend sein und mittlerweile auch anti-bakteriell. Sogar gegen Schweißgeruch kann Kleidung helfen. Hört sich erst einmal praktisch an, ist aber für uns Menschen durchaus riskant. Bestimmte Stoffe können Kontaktallergien auslösen. Andere können zum Beispiel die Haut und Atemwege beeinträchtigen und auch die Konzentrationsfähigkeit wird unter Umständen beeinflusst. Pharmazeutin Viola Wohlgemuth ist als Konsum-Expertin tätig. Sie forscht regelmäßig auch vor Ort in den Ländern, in denen unsere Kleidung hergestellt wird. Bis zu 3.500 verschiedene Chemikalien kommen laut der Expertin regelmäßig in der Textilindustrie zum Einsatz. „40 Prozent davon sind nicht nur umwelt-, sondern auch gesundheitsschädlich“, erklärt sie. „So kommen zum Beispiel Weichmacher und Azofarbstoffe, die krebserregend sein können, nach wie vor zum Einsatz. Genauso wie per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe, also Teflon. Auch bekannt aus der Bratpfanne, die wasser- und fettabweisend ist.“ Problematisch ist, dass die Chemikalien überhaupt eingesetzt werden. Die Textilindustrie gilt als einer der größten Verschmutzer von Wasser weltweit. Zudem können die Chemikalien auf den Textilien auch nach Europa gelangen. Dabei ist das in manchen Fällen eigentlich sogar verboten.

Was wird unternommen, um uns zu schützen?

Seit 2007 ist die REACH-Verordnung – eine Chemikalienverordnung der EU – in Kraft. REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals oder übersetzt: Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien. Sie gilt als eines der strengsten Chemikaliengesetze weltweit und soll ein hohes Schutzniveau für Menschen und Umwelt sicherstellen. Dennoch gelangen gerade durch den Onlinehandel immer wieder Produkte zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die EU-Richtlinien nicht entsprechen. Laut Viola Wohlgemuth liegt dies auch daran, dass die Kleidung von bestimmten Onlinehändlern direkt per Lufttransport zu den Menschen kommt und nicht mehr kontrolliert wird.

Inwieweit hilft Nachhaltigkeit?

Viola Wohlgemuth sieht ein Problem auch in unserem Konsum von Kleidung und unserem Hunger auf Fast Fashion, denn: „Je billiger ich produziere, desto mehr schlechte Chemikalien werden eingesetzt. Weil es dann einfach günstig ist.“ Eine ähnliche Meinung hat auch Professorin Martina Glomb. Sie unterrichtet Modedesign an der Hochschule Hannover und leitet das USE-LESS Zentrum für nachhaltige Designstrategien. Sie selbst ist eine Vertreterin von Slow Fashion. „Das heißt ganz bewusst, die Ressourcennutzung zu reduzieren und auf keinen Fall eine Schädigung von Menschen, Umwelt und Tieren zuzulassen. Und das bedeutet natürlich auch, Konsum und Produktion zu drosseln, weniger zu produzieren, weniger und bewusster zu konsumieren.“

Laut Bundesumweltministerium kauft jeder Deutsche im Durchschnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr – 40 Prozent werden nie oder nur selten getragen. Da kann es schnell passieren, dass der Überblick verloren wird. Deswegen plädieren Slow-Fashion-Anhängerinnen und -Anhänger wie Martina Glomb für mehr Auseinandersetzung mit der Materie. „Wenn man nicht einmal weiß, woher die Materialien kommen und wie sie erzeugt wurden, wie soll man das dann erst mit den ganzen Chemikalien wissen, die benutzt werden? Da muss man sich auf die Grundprinzipen von Slow Fashion verlassen.“

Was können Verbraucherinnen und Verbraucher tun?

Für Martina Glomb ist wichtig: „Herausfinden, was kaufe ich, was brauche ich wirklich, wo kommt es her und wer hat es produziert?“ Da das in einigen Situationen eher kompliziert sein wird, bleibt meistens nur eins: nachfragen. Um dies mit Bezug auf Chemikalien zu erleichtern, hat das EU-Projekt AskREACH die kostenlose App Scan4Chem entwickelt. Ziel ist es, den Verbraucherinnen und Verbrauchern Informationen über Schadstoffe in Produkten zu liefern. Einfach den Strichcode scannen und nachschauen. Teilweise sind Produkte schon in der Datenbank. Ansonsten ist es möglich, mit Hilfe der App eine Anfrage an die Produzenten zu schicken. Denn dank der REACH-Verordnung gilt innerhalb der EU: Hersteller müssen auch gegenüber Privatpersonen Auskunft geben, wenn bestimmte Stoffe einen Grenzwert überschreiten.

Also, so viel wie möglich nachfragen, so viel wie möglich auf Slow Fashion setzen und vielleicht auch einfach einmal das ein oder andere Teil im Warenkorb oder im Geschäft zurücklassen.

Praktische Tipps für den Alltag

1: Nachhaltig einkaufen

Slow – also weniger kaufen, bedachter kaufen und lieber bereits vorhandene Kleidung reparieren oder umändern – statt Fast lautet die Devise und lieber aus zweiter Hand statt neu. Das hat auch den Vorteil, dass die Kleidung schon öfter gewaschen wurde. Je mehr Umdrehungen in der Waschmaschine, desto mehr Chemikalien wurden herausgespült.

2: Waschen mit Bedacht

Auch wenn der eine oder andere Waschgang mehr durchaus seine Vorteile hat, er sorgt auch oft dafür, dass noch mehr Mikroplastik in der Umwelt landet. Spezielle Wäschenetze können die Antwort sein. Oder setzen Sie direkt auf Naturfaser, damit erst gar kein Mikroplastik entsteht.

3: Auf diese Siegel achten

Den Global Organic Textile Standard (GOTS), OEKO-TEX® MADE IN GREEN und den Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft e. V. (IVN), den Grünen Knopf  

4: Hinterfragen

Wenn etwas besonders billig ist, sind dann vielleicht besonders viele Chemikalien drin? Es ist wichtig, sich immer wieder selbst zu fragen, warum bestimmte Hersteller Kleidung so billig anbieten können und welche Einbußen für Umwelt, Menschen und Tiere damit verbunden sind.

5: Offline statt Online

Onlinehändler werden weniger kontrolliert. Außerdem lassen sich Umtausch und Rücksendungen beim Einkauf im Geschäft vor Ort vermeiden und das ist bedeutend nachhaltiger.

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