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Kalk in der Schulter: was wirklich hilft

Schulterexpertin Dr. Birgit Schulz spricht über Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten und erklärt, warum Sport die beste Vorsorge ist

Artikel nach Kategorien filtern #Frauengesundheit #Erkrankungen #Medizin
Rückansicht einer Frau, die an Schulterschmerzen leidet

Die Kalkschulter (Tendinosis calcare) zählt zu den häufigeren Ursachen für Schulterschmerzen. Besondern tückisch: Oft bleibt sie lange unentdeckt. Erst wenn es zu einer akuten Entzündung kommt, treten teilweise starke Symptome auf. Doch was steckt eigentlich genau dahinter? Und wie lässt sich dem vorbeugen?

Wir haben mit Dr. Birgit Schulz vom Diakonie Klinikum Bethesda gesprochen. Die Orthopädin gehört zu den ersten fünf Ärztinnen in der Bundesrepublik, die ein Zertifikat von der Deutschen Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie (DVSE) erhalten haben – damit ist sie führend auf diesem Gebiet. 

Redaktion: Frau Dr. Schulz, was ist eigentlich eine Kalkschulter?

Dr. Birgit Schulz: Die Kalkschulter ist eine Sonderform des sogenannten Engpasssyndroms. Warum sie bei manchen Menschen auftritt und bei anderen nicht, ist bis heute nicht ganz geklärt. Was bei vielen passiert, ist aber Folgendes: Durch eine Veränderung des pH-Werts in den Gefäßen der Rotatorenmanschette – das ist eine Gruppe von Muskeln und Sehnen, die das Schultergelenk stabilisieren und bewegen – kann es zu einer sogenannten Metaplasie der Zellen kommen. Das heißt, die Zellen verändern sich, und das begünstigt die Ablagerung von Kalk. Die betroffenen Venen schwellen leicht an – und wenn der Kalk in den darüberliegenden Schleimbeutel übertritt, kann das eine massive Entzündung auslösen. Das wiederum verursacht starke Schmerzen, die so plötzlich und heftig auftreten können, dass manche Menschen nachts damit in die Notaufnahme kommen.

Es gibt eine chronische und eine akute Verlaufsform. Die akute Variante – also wenn der Kalk in den Schleimbeutel geht – ist oft sehr schmerzhaft. In vielen Fällen klingt das nach zwei bis drei Wochen wieder ab. Manchmal sind die Betroffenen danach sogar komplett beschwerdefrei. Bei anderen wiederum treten die Schmerzen nach einer Weile erneut auf oder bleiben in milder Form bestehen.

Außerdem lässt sich noch sagen, dass Frauen häufiger betroffen sind – etwa zu 70 Prozent der Patientinnen und Patienten sind weiblich. 

R: Gibt es dafür einen Grund?

BS: Man vermutet, dass es da einen hormonellen Zusammenhang gibt. Manche gehen auch davon aus, dass eine Schilddrüsenüberfunktion eine Rolle spielen könnte. Aber so richtig festlegen lässt sich das nicht – es gibt keine klar definierte Gruppe, bei der man sicher sagen kann: „Diese Personen bekommen es auf jeden Fall.“ Aber dass es Frauen häufiger trifft als Männer, ist unbestritten.

R: Kann eine Kalkschulter vererbt werden?

BS: Nein, Kalkschultern werden nicht vererbt. 

R: Woran erkennt man eine Kalkschulter? Welche Symptome treten typischerweise auf?

BS: Besonders typisch ist der sehr starke, plötzlich auftretende Schmerz, wenn der Kalk in den Schleimbeutel übertritt – das ist etwas, was erfahrene Schulterchirurginnen und -chirurgen sofort erkennen. Das ist ein ziemlich häufiger Verlauf. Die meisten Patientinnen und Patienten kommen allerdings mit eher unspezifischen Beschwerden in die Praxis – da kann man von außen nicht gleich sagen, worum es sich handelt.

Bei der Kalkschulter gibt es aber einen Vorteil: Der Kalk ist röntgendicht, das heißt, man kann ihn auf dem Röntgenbild sehen. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass der Kalk auch die Ursache für die Schmerzen ist – vor allem, wenn es sich nur um eine kleine Ablagerung handelt. Ist das Kalkdepot dagegen größer, dann liegt der Ursprung der Beschwerden meistens dort.

R: Wenn der akute Schmerz auftritt – was sollte man als Erstes tun?

BS: Zunächst einmal: kühlen. Das hilft oft schon, um die Entzündung ein wenig zu lindern. Am besten geht man dann am nächsten Tag direkt zur Orthopädin oder zum Orthopäden. Wenn klar ist, dass es sich um eine Kalkschulter handelt, kann dort unter Umständen auch eine Spritze helfen – das bessert die Beschwerden meistens recht schnell.

Langfristig ist es aber wichtig, die Muskulatur zu stärken, damit sich die Situation nicht wiederholt. Und wenn man ein sehr großes Kalkdepot hat, das sich nicht von selbst zurückbildet und immer wieder in den Schleimbeutel übertritt, dann kann man das auch operativ entfernen. Dabei wird mit einer kleinen Kamera in die Schulter geschaut, der Kalk entfernt und gleichzeitig der Raum unter dem Schulterdach etwas erweitert. Das sorgt dafür, dass die Sehnen besser gleiten können, nicht gequetscht werden – und sich dadurch auch nicht erneut Kalk bildet.

R: Im Internet liest man oft, dass Tapen, Stoßwellentherapie oder Physiotherapie helfen können. Was ist da wirklich dran?

BS: Tapen kann ich bei einer akuten Kalkschulter nicht empfehlen. Das hat leider keinen Effekt. 

Physiotherapie hingegen kann sehr sinnvoll sein, ist aber nicht gleichbedeutend mit ein bisschen Schultermassage zweimal pro Woche. Es geht darum, aktiv Muskulatur aufzubauen – ähnlich wie im Fitnessstudio. Das ist zwar anstrengend und oft nicht besonders beliebt, aber nur so lässt sich langfristig etwas erreichen. Und wichtig ist: Wer zur Physiotherapie geht, sollte die Übungen auch konsequent zu Hause weitermachen.

Die Stoßwellentherapie funktioniert ein bisschen wie das Zertrümmern von Nierensteinen: gezielte Ultraschallwellen sollen das Kalkdepot auflösen. Wenn man Glück hat, klappt das. Doch das eigentliche Problem – die Enge unter dem Schulterdach – bleibt bestehen. Viele kommen nach der Stoßwellentherapie also trotzdem wieder und entscheiden sich doch für eine Operation.

R: Gibt es bestimmte Richtlinien, ab wann man zu einer OP rät – oder wann Physiotherapie oder Stoßwellentherapie sinnvoll sind?

BS: Grundsätzlich starten wir bei fast allen Schultererkrankungen erstmal konservativ, also ohne Operation. Das bedeutet: viel Krankengymnastik, regelmäßiges Training – sei es in der Physiotherapie oder im Fitnessstudio. Damit bekommen viele Patientinnen und Patienten ihre Beschwerden gut in den Griff. 

Wenn das allerdings nicht ausreicht, kann man über eine Stoßwellentherapie nachdenken. Wenn auch das nicht hilft oder wenn das Kalkdepot sehr groß ist, entscheiden sich manche für das sogenannte All-inclusive-Paket: Der Kalk wird entfernt und gleichzeitig wird der Raum unter dem Schulterdach erweitert, damit die Sehnen wieder frei gleiten können.

R: Kann es sein, dass der Kalk nach einer Operation trotzdem wiederkommt?

BS: Also, dass sich nach einer OP noch einmal komplett neuer Kalk bildet – das habe ich in der Praxis ehrlich gesagt noch nie erlebt. Es kann natürlich sein, dass bei der Operation nicht das gesamte Kalkdepot entfernt wird. Dann können einzelne Beschwerden bestehen bleiben. Aber dass das Problem in genau der gleichen Form erneut auftritt, ist eher selten.

R: Gibt es Möglichkeiten, einer Kalkschulter vorzubeugen?

BS: Ja, durchaus. Wir sehen, dass Menschen, die körperlich aktiv sind – etwa in handwerklichen oder landwirtschaftlichen Berufen – deutlich seltener eine Kalkschulter entwickeln. Häufiger betroffen sind dagegen Personen, die viel im Sitzen arbeiten, zum Beispiel im Büro, und sich im Alltag eher wenig bewegen. Das liegt oft daran, dass die Schultermuskulatur nicht ausreichend trainiert ist – und genau das spielt bei der Entstehung eine Rolle.

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R: Also wäre die beste Prävention Sport?

BS: Genau! Und zwar regelmäßig – nicht nur einmal in der Woche ein bisschen Spazierengehen oder Walken. Am besten ist eine Bewegung, die den ganzen Körper mit einbezieht, wie zum Beispiel ein gezieltes Training im Fitnessstudio.

Man sollte mindestens dreimal pro Woche aktiv sein – sonst bringt es leider nicht viel. Ich empfehle meinen Patientinnen und Patienten deshalb auch gerne, etwas zu wählen, das Geld kostet – das steigert oft die Motivation, wirklich dranzubleiben.

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R: Kann man denn abgesehen von Bewegung sonst noch etwas tun – etwa durch Ernährung oder Stressvermeidung?

BS: Natürlich ist es grundsätzlich immer sinnvoll, sich ausgewogen zu ernähren und nicht täglich Unmengen an Süßigkeiten zu essen – das gilt für viele Gesundheitsbereiche. Aber speziell um Kalkdepots in der Schulter vorzubeugen, gibt es keine klare Empfehlung, was man essen oder vermeiden sollte. Da spielt Ernährung keine direkte Rolle, genauso wie Stress. 

R: Kann der Kalk denn auf Dauer Schäden in der Schulter hinterlassen?

BS: Nein. Es kann zwar wirklich unangenehm und schmerzhaft sein – aber langfristige Schäden entstehen dadurch nicht. Unter den vielen möglichen Schultererkrankungen gehört die Kalkschulter eher in die Kategorie „Kleinkram“, auch wenn sie sich für die Betroffenen natürlich nicht so anfühlt.

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