Lösungen für unsere Gesundheitsversorgung
Ein Beitrag von SBK Vorständin Dr. Gertrud Demmler über notwendige Reformen, digitale Angebote und nachhaltige Verbesserungen im Gesundheitssystem

Liebe Versicherte,
„Kassen in den roten Zahlen! – haben Sie in letzter Zeit auch solche oder ähnliche Schlagzeilen gelesen? Die Schlagzeilen sind alarmierend. Und die Inhalte dazu häufig schwer zu verstehen – typische Expertensprache eben. Aus diesem Grund greife ich für Sie an dieser Stelle einige wichtige Themen der aktuellen Gesundheitspolitik auf. Besonders wichtig ist es mir zu zeigen, welche Lösungen es heute schon gibt und wofür wir uns einsetzen.
Reformen dringend benötigt
Die Herausforderungen, vor denen unsere solidarische Gesundheitsversorgung steht, sind vielfältig. Vereinfacht gesagt geben wir zu viel Geld aus und bekommen dafür zu wenig Qualität. Das liegt vor allem an entsprechenden Anreizstrukturen. Sie führen dazu, dass Geld vor allem mit aufwendigen Behandlungen und Operationen verdient wird. Eine ganzheitliche, auf die langfristige Gesundheit der Versicherten ausgerichtete Medizin ist weniger lohnend. Die gute Nachricht ist: Es gibt bereits vielversprechende Lösungen, wie die Situation nachhaltig verbessert werden kann.
Schnellere Arzttermine und kürze Wartezeiten
Digitale Ersteinschätzung: Das kennen Sie bestimmt: Es ist Erkältungszeit. Sie hat es auch erwischt und Sie wünschen sich mit einer Tasse heißen Tee ins Bett. Stattdessen sitzen Sie für Ihre Krankschreibung mit Kopfschmerzen und laufender Nase auf dem kalten Plastikstuhl eines Wartezimmers. Solche Arztbesuche sind weder gut für Ihre Gesundheit noch für die der anderen im Wartezimmer. Eine Lösung dafür hat die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein gemeinsam mit den kinderärztlichen Notdienstpraxen getestet. Vor jedem Besuch der Praxis wurde erst mal eine digitale Beratung per Videochat angeboten. Durch diese einfache Maßnahme konnte rund 50 Prozent der Kinder ohne einen Besuch in der Praxis geholfen werden. Dieses Beispiel zeigt: Solche ersten Anlaufstellen vor dem eigentlichen Arztbesuch entlasten die Praxen und häufig auch die Patientinnen und Patienten.
Früherkennung für zu Hause: Es gibt immer mehr Früherkennungsverfahren. Das ist eine gute Nachricht für Ihre Gesundheit! Denn rechtzeitig erkannt, sind viele Krankheiten gut heilbar. Doch immer mehr Vorsorgeuntersuchungen füllen die ohnehin vollen Praxen zusätzlich. Die Lösung kann in vielen Fällen der Vorsorgetest für zu Hause sein. Ein Beispiel ist das Angebot zur Darmkrebsfrüherkennung, das bei der SBK seit gut einem Jahr erfolgreich im Einsatz ist. Gelingt es, in Zukunft mehr Vorsorgetests für zu Hause anzubieten, können Praxen entlastet werden. Patientinnen und Patienten mit positiven Befunden erhalten dann entsprechend schnell einen Termin. Bei der Darmkrebsfrüherkennung beispielsweise betrifft das rund zehn Prozent der Teilnehmenden. Das Potenzial, mit solchen Tests die Arztpraxen zu entlasten, ist also groß. Gleichzeitig werden wir in Zukunft aufgrund intelligenter Datennutzung viel gezielter Versicherte mit Risiko direkt ansprechen können. Dann gehen vor allem diejenigen zur Vorsorge, deren Risiko hoch ist.
Lösungen für das Krankenhaus um die Ecke
Ein ebenfalls wichtiges und oft auch emotional diskutiertes Thema ist die Frage: Was wird aus meinem Krankenhaus vor Ort? Das Krankenhaus um die Ecke gibt ein Gefühl der Sicherheit. Und klar, ein Krankenhaus sollte für jeden in einer zumutbaren Distanz erreichbar sein. Doch wichtiger als die Nähe sind Qualität und Ausstattung des Krankenhauses. Beispiel Herzinfarkt: Hat „das Krankenhaus um die Ecke“ keine Brustschmerz-Einheit (CPU) und kein Herzkatheterlabor, arbeiten dort nicht die richtigen Fachkräfte oder ist das Krankenhaus unterbesetzt, kann ein Herzinfarktpatient nur hoffen, nicht in diesem Krankenhaus in der Nähe versorgt zu werden. Dieses Beispiel zeigt: Ein Krankenhaus in jedem Ort ist nicht unbedingt die beste Versorgung für die Bevölkerung. Wir schlagen vor, für jede Region individuell zu planen. Abhängig vom Bedarf und vom ambulant verfügbaren Angebot gilt es, Anzahl und Art der Krankenhäuser für jede Region festzulegen.
Ausgaben für Arzneimittel senken
Ein eindrückliches Beispiel, wie Kosten im Gesundheitswesen angetrieben werden, sind innovative Arzneimittel. Deutschland ist einmalig schnell, wenn es darum geht, neue Medikamente für die Versichertengemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Das hat seinen Preis. Während der ersten sechs Monate legen die Hersteller den Preis selbst fest. Erst danach einigen sich Hersteller und die gesetzliche Krankenversicherung auf einen am tatsächlichen Nutzen des Medikaments orientierten Preis. Dieser gilt ab dem siebten Monat. Für neue Arzneimittel, die größtenteils noch dem Patentschutz unterliegen, hat die SBK im Jahr 2024 circa 508 Millionen Euro ausgegeben. Das entspricht 53 Prozent unserer Ausgaben für Arzneimittel. Ein zügiger Zugang zu innovativen Arzneimitteln ist ohne Frage wichtig. Doch aktuell kommen zu viele Medikamente auf den Markt, die später keinen oder nur unzureichenden Zusatznutzen gegenüber bereits etablierten und damit sehr viel günstigeren Medikamenten nachweisen können. Die Versichertengemeinschaft zahlt dafür den Preis. Und der ist hoch. Die mittleren Jahrestherapiekosten für die im Jahr 2023 neu eingeführten Arzneimittel liegen bei 394.000 Euro. Die Lösung liegt darin, dass sich auch Preise für neue Arzneimittel ab dem ersten Tag an deren tatsächlichem Nutzen orientieren.
Gesundheit liegt auch in unserer Hand
Sie sehen: Viele Lösungen für unser Gesundheitswesen liegen auf dem Tisch. Die notwendigen Reformen können die Versorgung mittelfristig nicht nur finanziell entlasten. Ich bin überzeugt, sie verbessern auch die Qualität für die Versicherten. Reformen bedeuten auch immer Veränderung. Wir alle sind gefragt, uns darauf einzulassen. Beispielsweise indem wir uns erst mal online per Video-Sprechstunde beraten lassen, bevor wir eine Praxis aufsuchen. Wir selbst sind die ersten Verantwortlichen für unsere Gesundheit, wir haben ja auch am meisten davon. Indem wir uns informieren, sind wir besser in der Lage, für uns zu entscheiden. In der SBK versuchen wir, die Gesundheitskompetenz unserer Versicherten zu stärken. Ein Beispiel dafür ist die Infoserie #MedicationMonday unserer Pharma-Expertin Dr. Vera Hagemann. Ebenfalls ist es wichtig, gute Ernährung oder ausreichend Bewegung als einen Beitrag für unser Wohlbefinden zu verstehen. Ganz nebenbei entlasten wir damit die Versichertengemeinschaft. Die ist immer dann gefragt, wenn Einzelne das selbst nicht mehr leisten können. Genau das ist der Gedanke der sozialen Krankenversicherung.
Ihre Gertrud Demmler


