Muss ich jetzt immer zum Hausarzt?
Ein Beitrag von SBK Vorständin Dr. Gertrud Demmler zum sogenannten Primärarztsystem

„Liebe Frau Demmler, muss ich jetzt immer zum Hausarzt?“ So oder so ähnlich lauten die Fragen, die mich in letzter Zeit häufiger erreichen. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist die Rede davon, ein sogenanntes Primärarztsystem einzuführen. Deshalb kursieren aktuell bereits die unterschiedlichsten Ideen und Erwartungen: Gesetzlich Versicherte sollen im Krankheitsfall zunächst in ihre Hausarztpraxis gehen, wo eine erste Einschätzung erfolgt. Die Hausärztin oder der Hausarzt entscheiden, was zu tun ist, und überweisen, wenn nötig, an eine Facharztpraxis. Ausnahmen sind etwa für die Augenheilkunde und Gynäkologie vorgesehen, ebenso für Patientinnen und Patienten mit schweren chronischen Erkrankungen.
Entscheidend in der Umsetzung ist, dass folgende Ziele erreicht werden: für Patientinnen und Patienten weniger Umwege bis zur richtigen Behandlung, kürzere Wartezeiten, weniger Doppeluntersuchungen und kürzere Krankenhausaufenthalte. Ein System also, das so vernetzt ist, dass Patientinnen und Patienten zur richtigen Zeit am richtigen Ort behandelt werden.
Was aber meiner Meinung nach nicht funktioniert, ist eine Fokussierung rein auf die Hausarztpraxis. Denn auch die Hausarztkapazitäten sind ein „knappes Gut“. Viele gehen bald in Rente und steigende Teilzeitquoten führen gerade im ländlichen Raum zu einem Mangel an Arztzeit.
Mein Appell: Primärarztsystem größer denken
Deswegen ist mein Appell an die Regierung: Lasst uns größer denken, im Sinne eines hybriden Primärversorgungssystems. Dazu gehört, digitale Möglichkeiten konsequenter zu nutzen und das medizinische Fachpersonal stärker einzubinden. Eine Ersteinschätzung muss nicht immer persönlich durch die Ärztin oder den Arzt erfolgen: Vieles können Medizinische Fachangestellte (MFA) oder weiteres Fachpersonal übernehmen. Einige Anliegen lassen sich über Apps und Videotelefonie bequem von zu Hause erledigen. Auch Betriebsärztinnen und Betriebsärzte könnten eine größere Rolle übernehmen und in Zusammenarbeit mit Hausarztpraxen mehr Vorsorgeuntersuchungen oder Impfungen direkt am Arbeitsplatz anbieten.
Unsere Nachbarländer machen es vor
Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass diese Vorgehensweise bei unseren Nachbarländern schon gang und gäbe ist und hervorragend funktioniert. In Dänemark laufen Ersteinschätzungen oft über Internetformulare mit einem anschließenden Telefonat. Einfache medizinische Tätigkeiten werden an „Arztsekretärinnen“ oder „Arztsekretäre“ weitergegeben. In den Niederlanden prüft ein telefonisches Triage-System vorab die Dringlichkeit. Beratungen, z. B. zum Lebensstil, übernehmen medizinisch ausgebildete Fachkräfte. In Finnland übernehmen „Nurse Practitioners“ oder „Physician Assistants“ die Ersteinschätzung und verschreiben teils Medikamente. Telemedizinische Angebote werden für die Überbrückung der großen Distanzen genutzt.
Worauf es jetzt ankommt
Ich bin davon überzeugt: Ein intelligentes und hybrides Primärversorgungssystem hilft uns, die Versorgung wieder in Bahnen zu lenken, in denen Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden. In denen Wartezeiten auf ein Normalmaß sinken und in denen die Zeit in den Arztpraxen für die richtigen Dinge investiert wird. Natürlich bedeuten Reformen auch Veränderungen. Wir alle sind gefragt, uns darauf einzulassen – etwa indem wir zuerst die Möglichkeit einer Videosprechstunde nutzen, bevor wir eine Praxis vor Ort aufsuchen. Auch uns in der SBK liegt es am Herzen, dass Sie schnell und einfach die richtige Hilfe bekommen. Unter dem Motto „Gute Entscheidung. Gutes Gefühl“, dreht sich in unserer aktuellen Kampagne alles darum, wie wir Sie in Gesundheitsfragen begleiten und gemeinsam mit Ihnen Lösungen finden.


