Was ist eigentlich Angst?

Wie Sie Angst erkennen, was Sie dagegen tun können und warum Angst auch nützlich sein kann.

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Angst ist ein Urinstinkt, der zum Leben dazugehört. Schon als Babys empfinden wir Angst vor unbekannten Dingen und Personen. Das sogenannte Fremdeln ist in diesem Alter ein ganz normaler Entwicklungsschritt. Im Laufe des Lebens lernen wir aber, Unbekanntes zunächst einmal zu bewerten. Was bedroht uns wirklich, was nicht? Wir lernen, Angst zu überwinden. Doch was genau ist eigentlich Angst, wozu nutzt Angst und was hilft bei Angstzuständen? Unsere Expertin Dr. Gabriele Stumm, ärztliche Leiterin beim Gesundheitsdienstleister 4sigma, gibt Antworten auf diese Fragen.

Was genau ist eigentlich Angst?

Angst ist ein emotionaler Zustand, den viele Lebewesen kennen. Er wird von uns Menschen in der Regel als etwas Negatives wahrgenommen. Expertinnen und Experten unterscheiden verschiedene Formen von Angst: „Die Angst vor etwas Konkretem – in diesem Fall auch Furcht genannt – ist eine normale Reaktion auf eine Gefahr und übt eine Warn- und Schutzfunktion aus. Sie hilft uns, Situationen zügig einzuschätzen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten“, erklärt Dr. Gabriele Stumm: „Welche Konsequenzen hat das für mich?“ „Wie kann ich die Gefahr ausschalten?“ „Soll ich fliehen oder angreifen?“ Ähnlich wie das Fremdeln ist auch die Angst, verlassen zu werden, ein zunächst sinnvoller, angeborener Angstreflex. Sie dient einem biologischen Zweck: nämlich den sicheren Kontakt zu einer Bezugsperson wiederherzustellen. Haben Eltern oder andere Vorbilder vor etwas Angst, übernehmen Kinder diese häufig. Dann spricht man von der Angst durch Beobachtungslernen. „Sie kann absolut sinnvoll sein. Aber auch übersteigerte oder nicht realistische Ängste werden so verankert – zum Beispiel wenn die Eltern ihren Kindern eine Spinnenphobie vererben“, sagt die Expertin. Angst durch Konditionierung ist eine ebenfalls typische, jedoch weniger hilfreiche Form der Angst: An sich neutrale Situationen werden mit einem Angsterlebnis verbunden. Wer beispielsweise einen schlimmen Autounfall in einem Tunnel beobachtet und dies schlecht verarbeitet, meidet zunehmend diese Situation und benutzt, vielleicht sogar als Fußgänger, keine Unterführung mehr. Eine weitere Angst ist die Todesangst. Sie kann ganz konkret durch eine akute Bedrohung wie Krieg oder eine Krankheit ausgelöst werden oder auch allgemein durch das Nachdenken über den Tod, die eigene Endlichkeit und dem, was „danach“ kommt. Wenn Ängste allgemein, diffus und ungerichtet sind, ist es besonders schwierig, konkrete Gegenmaßnahmen zu treffen, um die Ängste zu überwinden.

Unsere Expertin

Dr. med. Gabriele Stumm

Leiterin Medizin bei 4sigma

Angststörung – was ist das?

Angststörungen führen zu übersteigerten Angstgefühlen, obwohl keine echte Bedrohung vorliegt. Man unterscheidet hierbei verschiedene Arten von Angststörungen wie Panikstörungen, Phobien wie zum Beispiel Platzangst oder Spinnenphobie, eine generalisierte Angststörung, die langanhaltend ist, und posttraumatische Belastungsstörungen. Dr. Gabriele Stumm rät: „Betroffene, bei denen Symptome einer Angststörung auftreten, sollten unbedingt rechtzeitig fachliche Hilfe in Anspruch nehmen, bevor sich die Angstspirale verfestigt.“ Gut zu wissen für alle SBK-Versicherten: Ihre Kundenberaterin oder Ihr Kundenberater ist gerne bei der Suche nach einem geeigneten Therapieplatz für Sie da.

Wie äußert sich Angst?

Haben wir Angst, wird unser vegetatives Nervensystem aktiviert. Genauer: Der Sympathikus, der für Angst- und Stressreaktionen verantwortlich ist, schüttet Adrenalin aus, die Nebenniere produziert das Stresshormon Cortisol. Wir werden leistungsfähiger, um der Gefahr zu begegnen. Ist die Angst jedoch übersteigert oder hält sie lange an, entstehen unangenehme oder langfristig krankhafte körperliche wie psychische Symptome.

Angst überwinden: Was kann ich tun?

Zunächst einmal sollten Betroffene ganz konkret ihre Ängste analysieren: Wovor genau habe ich Angst und warum? „Häufig hilft es auch, mit anderen über die Angst zu sprechen, denn so können Sie Ihre persönliche Situation realistisch einordnen“, meint Dr. Gabriele Stumm. Wer sich zum Beispiel mit anderen über Ängste aufgrund der Coronapandemie oder der Situation in der Ukraine austauscht, wird schnell merken, dass sie oder er damit nicht alleine ist. So kann man auch besser einschätzen, wie groß die persönliche Gefahr wirklich ist. Darüber hinaus sollten Menschen, die ihre Angst überwinden möchten, sich deutlich machen, welche schwierigen und gefährlichen Situationen sie in ihrem Leben bereits erlebt und überstanden haben. Um der Angst nicht die Macht über sich selbst zu geben, haben wir ein paar ganz konkrete Tipps für Sie zusammengestellt. Diese Tipps richten sich auch an Menschen, die die momentane Dauerschleife der schlechten Nachrichten als besonders belastend empfinden.

  • Lenken Sie sich ab:  Bewegung und Sport bauen Stresshormone ab. An Alltagsaufgaben festzuhalten, gibt Sicherheit und Struktur. Mit Achtsamkeitsübungen können Sie sich auf das Hier und Jetzt fokussieren. Unterbrechen Sie Ihre Gedanken durch körperliche Reize wie Wechselduschen oder intensive Duftöle.
  • Informieren Sie sich dosiert: Dämmen Sie die Nachrichtenflut ein und holen Sie Informationen nur aus seriösen Quellen ein; schalten Sie Push-Dienste ab und lassen Sie sich in den sozialen Medien nicht treiben. So weichen Sie ängstigenden Reizen nicht komplett aus, können sich aber bewusst vorbereiten und informieren.
  • Konfrontieren Sie sich mit der Angst: Dies ist vor allem bei Ängsten vor objektiv ungefährlichen Situationen empfehlenswert, um diese Situationen von der Angstreaktion zu entkoppeln.

Atemübung bei Angst

Atmen Sie die Angst förmlich weg – mit ein paar einfachen Atemübungen:

  • Konzentrieren Sie sich voll auf Ihre Atmung.
  • Versuchen Sie, die Atmung bewusst zu verlangsamen.
  • Atmen Sie in den Bauch – zur Unterstützung können Sie die Hand auf den Bauch legen.
  • Atmen Sie ruhig und tief.
  • Bringen Sie Ihre Gedanken ins Hier und Jetzt und nehmen Sie alles bewusst wahr.

Mehr Übungen unseres Partners HelloBetter finden Sie hier.

Wohin kann ich mich bei akuter Angst oder bei Angstzuständen wenden?

Wer von akuter Angst oder Angstzuständen betroffen ist, kann eine Reihe von Beratungsangeboten wahrnehmen. Wichtiger Hinweis: Stoßzeiten lassen sich leider nicht vermeiden. Wenn eine Telefonnummer belegt ist, bitte zu einem späteren Zeitpunkt erneut versuchen. Im akuten Notfall können Sie auch den allgemeinen Notruf 112 kontaktieren.

Telefonseelsorge der katholischen und evangelischen KircheBerät zu Krisen in jeder Lebensphase und zu verschiedenen Themen, auch außerhalb spiritueller Fragen. Anonym, kostenfrei, rund um die Uhr erreichbar.

Muslimisches Seelsorgetelefon

Berät auch auf Türkisch, Arabisch und Urdu.

Nummer gegen Kummer

Träger ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein mit Sitz in Wuppertal, hervorgegangen aus dem Deutschen Kinderschutzbund. Die Mitarbeitenden beraten anonym und kostenlos in ganz Deutschland.
  • Web: nummergegenkummer.de/onlineberatung/
  • Kindertelefon, montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr: 116 111
  • Per E-Mail jeden Tag rund um die Uhr, per Chat mittwochs und donnerstags von 14 bis 18 Uhr nach Registrierung
  • Elterntelefon, montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, dienstags und donnerstags bis 19 Uhr: 0800 111 0 550

Info-Telefon Depression

kostenfrei, ab 16 Jahre

Die Deutsche Stiftung Depressionshilfe bietet kostenfrei krankheits- und behandlungsbezogene Informationen sowie Hinweise zu geeigneten Anlaufstellen, für alle ab 16 Jahren.

  • Telefon: 0800 33 44 533
  • Mo., Di., Do.: 13:00 – 17:00 Uhr
  • Mi., Fr.: 8:30 – 12:30 Uhr

Mutruf

Telefondienst von selbst (ehemals) Betroffenen einer Panikstörung, die ehrenamtlich eine verständnisvolle Gesprächsmöglichkeit anbieten, wenn Anrufer eine Panikattacke haben oder befürchten.

  • Telefon: 04191 27 49 28 0 (deutschlandweit)
  • Montag – Donnerstag: 10:00 – 18:00 Uhr,
  • Freitag – Sonntag: 10:00 – 12:00 Uhr

Deutsche Angsthilfe e.V.

Online-Beratung durch aktive Menschen in der Selbsthilfe.

 

Psychische Gesundheit

Vorbeugen, behandeln und verstehen – mit Unterstützung der SBK

Innere Leere, Antriebslosigkeit und Ängste – die Auslöser dafür können sehr vielfältig sein. Eines haben alle genannten Symptome gemeinsam: Die Teilnahme am beruflichen und gesellschaftlichen Leben wird erheblich beeinträchtigt. Für viele Betroffene ist die Hausärztin oder der Hausarzt eine gute erste Anlaufstelle, um professionelle Hilfe zu erhalten. Wie die SBK Sie und Ihre Familie dabei unterstützt, psychische Herausforderungen zu meistern, erfahren Sie hier.

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