Brustkrebs: Entscheidungshilfe für oder gegen eine Chemotherapie
Hintergrund: Warum sich die SBK für die Aufnahme von Genexpressionstests in die Regelversorgung einsetzt (02.08.2019)
Interview mit Christina Bernards, Fachexpertin Neue Versorgungsangebote
In Deutschland sind bereits mehrere Genexpressionstests auf dem Markt. Sehen Sie für Versicherte einen Nachteil darin, dass nur einer von ihnen laut G-BA in die Regelleistungen aufgenommen werden soll?
Wir sind froh, dass betroffenen Frauen nun endlich ein Test zur Verfügung gestellt wird, der sie bei der Entscheidung für oder gegen eine adjuvante systemische Chemotherapie bei primären Mammakarzinom unterstützen kann. Der Mehrwert des Verfahrens Oncotype DX ist in mehreren Studien nachgewiesen worden, weshalb das Verfahren bereits in alle wichtigen, international anerkannten Leitlinien für die Behandlung von Brustkrebs aufgenommen wurde und der Test im Ausland seit Jahren im Einsatz ist. Wir freuen uns, dass dieser Test nun in Deutschland Einzug in die Regelversorgung halten kann.
Sollten der Patientennutzen sowie die jeweiligen Bedürfnisse der Betroffenen höher gewichtet werden als aufsichtsrechtliche Bedenken?
Sofern die Anforderungen an Qualität und Datenschutz eingehalten werden, muss es auch in Deutschland möglich sein, ein international anerkanntes Verfahren mit einem nachweislichen Nutzen für die Therapieentscheidung zu übernehmen. Das Ziel sollte sein, verfügbares Wissen in Form von gewonnenen Daten, Informationen über Therapieentscheidungen und dem Erfolg von neuen Behandlungsformen zugunsten von Patienten in der ganzen Welt zusammenzuführen. Dabei können digitale Technologien unterstützen. Dass der Oncotype DX im Ausland schon längst zum Standard gehört und wir hier acht Jahre für die Entscheidung benötigt haben, zeigt, dass wir auch den Blick ins Ausland tätigen sollten. Wir sollten prüfen, ob es andere Wege gibt, die innovative Verfahren schneller in die Versorgung bringen, ohne dass die Patientensicherheit darunter leidet. Wie wollen wir gegenüber unseren Kunden begründen, warum wir Verfahren mit belegter Evidenz und damit nachgewiesenem patientenrelevanten Nutzen nicht zahlen? Die Welt dort draußen wartet nicht – zugunsten der Betroffenen sollten wir neue Strategien entwickeln und etablieren, um agil auf medizinische Fortschritte reagieren zu können.
Warum hat sich die SBK so stark dafür eingesetzt, dass der Test zur Regelleistung wird? Sie zahlen den Test ja bereits seit Längerem.
Wir haben früh festgestellt, dass es einen Bedarf bei den betroffenen Patientinnen gibt. Zudem ist der Einsatz dieser Tests im Ausland bereits Standard. Außerdem wird der klinische Nutzen von Biomarkertests in der S3-Leitlinie zum Mammakarzinom aufgeführt. Die Patientinnen sind froh, dass sie sich in dieser schwierigen Lebensphase keine Sorgen um die Kostenübernahme machen müssen. Für Patientinnen, bei denen der Test durchgeführt wurde, bedeutet das, dass sie auf eine eventuell nicht notwendige Chemotherapie verzichten oder eben ohne Zweifel die Chemotherapie durchführen lassen können. Der Oncotype DX stellt einen wesentlichen Baustein im Entscheidungsprozess für unsere Versicherten dar, um ihre Patientenautonomie zu stärken und so gemeinsam mit dem behandelnden Arzt eine informierte persönliche Entscheidung zu treffen. Ich bin der Meinung, dass ein so wichtiges Instrument jeder Frau zur Verfügung stehen muss, unabhängig von der Krankenversicherung. Deswegen haben wir uns dafür eingesetzt, dass der Oncotype DX in die Regelversorgung aufgenommen wird.
Was wünschen Sie sich für die Zeit nach dem G-BA-Entscheid? Was muss in Ihren Augen als nächstes passieren?
Bezogen auf den G-BA-Entscheid zum Oncotype DX hoffe ich, dass die Vergütung schnell geregelt wird und wirklich alle Patientinnen bald auf den Test zurückgreifen können. Ferner sollte der Entscheidungsfindungsprozess für neue Behandlungs- und Therapieoptionen transparenter sein. Was fehlt, sind schnellere Zugangswege in die Versorgung (nach Vorlage entsprechender Evidenz) sowie eine höhere Gewichtung der Patientenbedürfnisse und des zu erwartenden Nutzens. Insgesamt ist ein veränderter Blickwinkel notwendig, um die Bedürfnisse von Menschen besser erfassen und beurteilen zu können.
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