ME/CFS: Start des interdisziplinären Versorgungsprojekts „CFS_Care“

Pressemitteilung: Für die bessere Versorgung von Menschen mit ME/CFS arbeiten die Charité Berlin und drei BKK zusammen (18.01.2022)

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Eine verbesserte Versorgung von Erkrankten mit Myalgischer Enzephalomyelitis, besser bekannt als Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) – das ist das Ziel des Innovationsfondsprojekts „CFS_Care“ der Charité-Universitätsmedizin Berlin gemeinsam mit den Krankenkassen BKK·VBU, SBK Siemens-Betriebskrankenkasse und BAHN-BKK. Unter der Leitung von Prof. Carmen Scheibenbogen (Charité) nehmen die Projektpartner Bezug auf den aktuellen Koalitionsvertrag, in dem erstmals die komplexe Krankheit aufgenommen und der Aufbau von Kompetenzzentren formuliert wurde.

Die lang ignorierte Krankheit

Am 15.12.2021 startete ein auf vier Jahre angelegtes interdisziplinäres Versorgungsprojekt zu ME/CFS von Krankenkassen und Charité, in das sich nun Erkrankte einschreiben lassen können. In Deutschland sind etwa 300.000 Menschen vom Chronischen Fatigue Syndrom (ME/CFS*) betroffen. In Folge der COVID-19-Pandemie werden sich die Erkrankungsfälle laut Prof. Scheibenbogen, Leiterin des Chronic Fatigue Centrum an der Charité Berlin, noch deutlich erhöhen. Umso folgenschwerer ist es, dass es bislang keine integrierten und interprofessionellen Behandlungskonzepte für die Erkrankung gibt. Dies soll sich mit dem interdisziplinären Forschungsprojekt „CFS_Care“ ändern, dessen Ziel es ist, Diagnose- und Therapiekonzepte zur Behandlung von ME/CFS zu erarbeiten, die langfristig in die Regelversorgung überführt werden können. Auch an Long COVID Erkrankte sollen hiervon profitieren können.

Versorgungslücke bei Long COVID und Chronischer Fatigue

ME/CFS ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die häufig durch einen Infekt ausgelöst wird und oft einen schweren Verlauf nimmt. Zu den Symptomen gehören neben einer chronischen Müdigkeit u. a. ausgeprägte Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Gelenk-, Muskel- und Kopfschmerzen. „Betroffene des häufig chronisch verlaufenden Fatigue-Syndroms sind nur in sehr geringem Maße belastbar“, fasst Prof. Scheibenbogen zusammen. „Dies führt zu so einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität, dass manche Patienten nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag zu bewältigen“, so Prof. Scheibenbogen weiter. Da über die Krankheit jedoch noch wenig bekannt ist, fehle es bisher an individuell angepassten medizinischen und rehabilitativen Versorgungskonzepten, die dringend angesichts der steigenden Fälle gebraucht werden. Selbst in der Ärzteschaft sei die Krankheit oft noch unbekannt und werde fälschlicherweise als ein Burn-out oder eine Depression eingeordnet.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Long COVID inzwischen als eigenständige Erkrankung anerkannt und die Ähnlichkeit mit dem Erschöpfungssyndrom attestiert. Etwa die Hälfte der Corona-Infizierten, die Long COVID entwickeln, erfüllen auch die ME/CFS Diagnosekriterien, so die Schätzung von Prof. Scheibenbogen.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit für gute Versorgung

Ziel des interdisziplinären Projekts ist es, die Diagnose und Therapie von ME/CFS auszubauen und für Betroffene eine Verbesserung der Lebensqualität und körperlichen Funktionsfähigkeit zu erreichen. In einem interdisziplinären Team aus den Fachbereichen Neurologie, Kardiologie, Schlafmedizin, Sportmedizin, Regenerative Therapie, Physikalische Therapie, Psychosomatik und Sozialmedizin wird im Rahmen des Forschungsprojekts ein Versorgungskonzept erarbeitet, das auch den stationären Aufenthalt einer Reha-Klinik einschließt. Der Verlauf der Behandlung wird mithilfe von Fragebögen und Folgevorstellungen evaluiert.

Dringender Handlungsbedarf

Bisher zielt die Behandlung von ME/CFS lediglich darauf ab, die Symptome der Erkrankung zu behandeln und Mangelzustände zu beheben. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Long COVID wird die Zahl der ME/CFS-Patienten noch weiter erhöhen. Doch aktuell erhalten Patientinnen und Patienten weder eine Diagnose noch eine passende medizinische Versorgung“, beschreibt Andrea Galle, Vorständin der BKK∙VBU den Handlungsbedarf. „Wir sehen uns darin bestätigt, dass nun auch die Politik das Thema aufgenommen hat“, so Galle weiter.

„Dringenden Handlungsbedarf sieht auch Dr. Gertrud Demmler, Vorständin der SBK: „Im Umgang mit ME/CFS-Patientinnen und -Patienten sehen wir eine riesige Versorgungslücke und die Folgen sind für die Betroffenen gravierend: Unbehandelt führt die Krankheit häufig dazu, dass die Erkrankten ihren Alltag nicht mehr meistern können und sich auf der Suche nach Hilfe allein gelassen fühlen. Das erklärte Ziel von „CFS_Care“ ist es, genau das zu verhindern und den Erkrankten die Fähigkeit zu erhalten, ihren Alltag möglichst selbstbestimmt zu meistern.“ Dem stimmt auch Hanka Knoche, Vorstand der BAHN-BKK zu: „Nur durch eine frühe und richtige Diagnose mit den richtigen therapeutischen Maßnahmen kann das Leiden der Betroffenen spürbar reduziert werden. Damit das gelingt, muss das Chronische Fatigue Syndrom aber aus der Nische geholt werden.“

Patientinnen und Patienten zwischen 18 und 65 Jahren, die bei den Krankenkassen BKK∙VBU, SBK Siemens-Betriebskrankenkasse oder BAHN-BKK versichert sind und an dem Versorgungsprojekt teilnehmen möchten, können sich an das Fatigue Centrum der Charité unter folgender E-Mail-Adresse wenden: fatigue-centrum-care@charite.de.

Alle Details zur Studie finden Sie hier.

*Im Englischen wird meist der Begriff myalgische Enzephalopathie (ME) verwendet, inzwischen findet sich auch die Bezeichnung ME/CFS.

 

 

Die hier zur Verfügung gestellten Inhalte dürfen, unter Angabe der Quelle SBK Siemens-Betriebskrankenkasse, veröffentlicht werden.

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