"Wir sind so!" - Der Podcast mit Jana Crämer & Batomae

In ihrem Podcast motivieren die Autorin und der Sänger ihre Hörerinnen und Hörer dazu, das Schweigen zu brechen und Probleme anzusprechen.

Jana Crämer und ihr bester Freund, der Musiker Batomae, plädieren in ihrem Podcast "Wir sind so!" für mehr Offenheit und ehrliche Gespräche im Umgang mit psychischen Problemen. Jana Crämer selbst leidet an einer der häufigsten und zugleich unbekanntesten Essstörungen: Binge-Eating. Die SBK unterstützt die beiden bei ihrem Podcast, weil das Sprechen über Probleme unserer Meinung nach ein wichtiger Schritt in Richtung Verbesserung der psychischen Gesundheit ist.

Der Podcast ist auf der Website "Wir sind so!" sowie über Spotify verfügbar - oder hören Sie direkt über die YouTube-Playlist rechts in die Gespräche der beiden hinein.

Interview mit Jana Crämer

Jana Crämer vom Podcast "Schweigen ändert nichts"

Jana Crämer ist bekannt als Autorin des Erfolgsromans „Das Mädchen aus der 1. Reihe“. Sie hat die Band Luxuslärm gemanagt. Sie hat einen sehr beliebten Instagram-Channel. Sie ist gemeinsam mit ihrem besten Freund, dem Musiker Batomae, auf Konzert-Lesereise durch ganz Deutschland. Und sie ist essgestört.

Jana Crämer kennt alle Höhen und Tiefen des Binge-Eatings – einer Essstörung, von der Schätzungen zufolge etwa 2 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Binge-Eating ist damit die häufigste Essstörung überhaupt. Da Betroffene ihre periodisch auftretenden Heißhungeranfälle aber meistens verschweigen, ist sie bisher weitgehend unbekannt.

Auch Jana Crämer gehörte früher zu denjenigen, die nichts über sich und ihre Gefühle preisgaben. Doch irgendwann hatte sie genug von der Lüge und der Scham. Mit ihrem Buch hat sie ihre Probleme öffentlich gemacht – seitdem spricht sie über ihre Essstörung ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und macht damit anderen Mut, ihr Schweigen zu brechen und selbstbewusst zu sich und ihren Problemen zu stehen – übrigens auch in ihrem Podcast „Wir sind so!“, den sie mit Batomae ins Leben gerufen hat.

"Ihr müsst euch für nichts schämen"

Wie geht es dir im Moment?
Im Moment ist es extrem gut, es ist aber immer noch harte Arbeit. Was krass für mich ist: Meine Psychologin hat mir geraten, jeden Tag was Süßes zu essen. Früher habe ich nämlich Lebensmittel in Gut und Böse unterteilt: Das darf ich und das darf ich nicht. Jetzt, wo ich mir eine begrenzte Menge Süßes am Tag erlaube, nimmt der Drang ab, es in mich hineinzustopfen.

Hattest du als Kind auch schon Probleme mit dem Essen?
Ich war schon immer „mehr“ als die anderen. Als ich noch ganz klein war, war das für mich noch kein Problem. Aber als ich dann zur Schule gekommen bin, habe ich gemerkt, dass ich irgendwie anders bin. Weil ich so dick war, hatte ich immer Jogginghosen an.

Wann ist dir zum ersten Mal richtig klargeworden, dass du eine Essstörung hast?
Das war der Moment, als ich wirklich so vollgefressen war, dass ich Schmerzen hatte und überlegt habe, wie ich die Schmerzen wieder loswerde.

Wie hat sich deine Essstörung geäußert?
Ich habe zum Beispiel die ganze Woche gehungert, um bei einem Konzert in bestimmte Klamotten zu passen. Nach dem Konzert habe ich dann angefangen, heimlich zu essen. Während die anderen im Restaurant saßen, bin ich mit meiner Tasche voller Essen aufs Klo gegangen und habe in drei Minuten 600 Gramm Schokolade hinuntergeschlungen. Ich wollte das frustrierende Gefühl bekämpfen, dass ich wieder nicht dazugehörte zu all den schönen Menschen in ihren tollen Kleidern und eng geschnittenen Shirts.

Du wolltest so schlank sein wie die anderen.
Ja, ich habe dann diese typischen ersten Diätversuche gemacht – und das Blöde war, dass sie funktioniert haben. Durch Komplimente von anderen habe ich mich auch noch bestätigt gefühlt. Und ich hatte das angenehme Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben.

Hast du dir keine professionelle Hilfe geholt?
Damals noch nicht. Ich dachte, mit den Diäten hätte ich’s im Griff. Aber mit jedem Fress-Flash ist es schlimmer geworden. Und später habe ich mir diese Hilfe lange nicht zugestanden. Ich habe mich meinem besten Freund Batomae anvertraut, aber professionelle Hilfe habe ich abgelehnt. Es hat lange gedauert, bis ich so weit war und genug Mut hatte. Es gehört nämlich Mut dazu, sich helfen zu lassen. Als ich schließlich zum Psychologen ging, dachte ich, der lacht mich aus. Und dann habe festgestellt, dass das die coolste Socke unter der Sonne war. Der hat mir zugehört, mich nicht verurteilt – und es tat überhaupt nicht weh.

Jana Crämer vom Podcast "Schweigen ändert nichts"

"Es gehört Mut dazu, sich helfen zu lassen"

Was kann man tun, wenn man noch nicht bereit für eine Therapie ist?
Wenn man nicht gleich zum Therapeuten gehen möchte, kann man auch den etwas softeren Einstieg über Selfapy nehmen. Ich habe das am Anfang belächelt: ein paar Videos angucken und einmal in der Woche am Telefon ein Gespräch führen – was soll das bringen? Aber es bringt eine Menge. Ich habe nach und nach meine Essstörung besser verstanden und eine Menge Tricks an die Hand bekommen, die man im Alltag umsetzen kann.

Welchen Anteil hatte deine Essstörung an deinem Leben?
Ich habe mich viel zu lange völlig von Diäten bestimmen lassen. Meine Gedanken kreisten nur noch um Kalorien und Kleidergrößen. Und ich habe mich früher komplett isoliert, weil ich es nicht ertragen konnte, in der Öffentlichkeit zu essen. Ich habe Familienfeiern vermieden und Einladungen ausgeschlagen. Ich konnte da ja nicht bestimmen, was und wie viel gegessen wird.

Wie sollten Familie und Freunde mit einer Essstörung umgehen?
Das Problem ist: Eine Essstörung zu haben und geliebt zu werden, das passt für Essgestörte nicht zusammen. Ich habe es immer darauf angelegt, dass die anderen mich genauso hassen, wie ich mich selbst, indem ich den Frust an meinen Liebsten ausgelassen habe. Aber ich sage allen Mamas, Papas, Brüdern, Schwestern und Freunden: Nehmt es nicht persönlich – denn in Wirklichkeit brauchen wir euch. Ich habe das Glück, dass es jemanden in meinem Leben gibt, der einen Schritt auf mich zugemacht hat und dem ich mich anvertrauen konnte. Batomae ist heute mein bester Freund, mit dem ich auch auf Konzert-Lesereise bin, um aus unserem Leben zu erzählen und wie wir mit meiner Essstörung umgehen.

Wie weit bist du auf deinem Weg, hin zu einem normalen Leben?
Das kommt drauf an, an was für einem Tag du mich fragst. Heute würde ich sagen, ich bin auf der Zielgeraden; hättest du mich vor zwei Wochen gefragt, als ich mich über Staubkörner auf dem Boden eines Airbnb aufgeregt habe, hätte ich gesagt, ich bin noch nicht mal losgelaufen. Das sind die Extreme, die ich erlebe. Zum Glück habe ich inzwischen gelernt, dass auch die schlimmen Phasen wieder vorbeigehen. Was ich sicher sagen kann ist: Die Phasen, die schlimm sind, werden immer kürzer, und die besser sind, werden immer länger.

"Mein Weg macht mehr Spaß, seitdem ich drüber quatsche"

Du kehrst mit deinem Buch, deinen Fotos, auf den Konzertlesungen dein Inneres nach außen. Warum?
Weil es sich gut für mich anfühlt und weil ich bei Auftritten merke, dass mir Herzen zuhören. Und wenn ich sehe, dass viele Menschen Tränen in den Augen haben und sich umarmen, dann weiß ich: Genau deswegen lohnt es sich für mich, mutig zu sein. Ich kann mutig sein für all jene, die es noch nicht sein können.

Jetzt produzieren Du und Batomae zusammen mit der SBK auch noch einen Podcast. Wie ist es dazu gekommen?
Die SBK ist durch ein Interview auf uns aufmerksam geworden. Und ich habe dann über unsere Idee gesprochen, einen Podcast zu machen. So kam eins zum anderen. Dass wir jetzt die SBK als Partner haben, ist riesig! Wir werden toll unterstützt und haben die SBK-Experten im Hintergrund. Alle zwei Wochen wird es eine Folge geben – das wird eine super spannende Mischung aus Bauchgefühl und Fachwissen.

Was müsste sich deiner Meinung nach ändern, damit weniger junge Leute eine Essstörung entwickeln?
Ich glaube, dass wir viel häufiger das echte, ehrliche Gespräch suchen sollten. Im Gespräch beginnen die Gedanken, sich zu ordnen. Mal kommt man drei Schritte voran und dann geht’s auch mal wieder zwei Schritte zurück – aber es verändert sich was. Mein Weg macht auf jeden Fall mehr Spaß, seitdem ich drüber quatsche. Diese Heimlichtuerei, die ganzen Lügen sind einfach viel zu anstrengend. Das mag nicht der Weg für jeden sein – aber so gehe ich mit meiner Essstörung um und vielleicht findet sich der ein oder andere darin wieder.

Was ist das Wichtigste, was Menschen mit einer Essstörung wissen sollten?
Versucht nicht, es mit euch selbst auszumachen. Schweigen ändert nichts – brecht das Schweigen! Es ist total befreiend. Und ihr müsst euch für nichts schämen. Es ist nur eine Essstörung. Dass ich das inzwischen mit einem Lachen sagen kann, das hätte ich nie für möglich gehalten. Früher war die Essstörung wie eine dunkle Wolke, die über allem schwebte. Ich wollte nicht, dass irgendeiner sieht, wie ich wirklich bin. Heute sage ich: Das bin ich, friss oder stirb! Das war ein langer, harter Weg – ein großes Kompliment an alle, die mitgegangen sind. Ich weiß, es ist schwierig mit uns Essgestörten. Wir sind eine Herausforderung.

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