Von der Dokumentenablage zur interaktiven Akte – das wünsche ich mir für die ePA

Meinung: Dr. Hans Unterhuber fordert Nutzerorientierung mehr in den Mittelpunkt zu stellen (07.06.2019)

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Die Arbeit an der elektronischen Patientenakte geht voran, die Spezifikationen für die Einführung 2021 liegen vor. Die gematik, nun unter der Ägide des BMG, hat die ersten Planungen für die Weiterentwicklungsschritte vorgelegt. Klingt toll. Und das ist es auch: Die ePA soll zu einer Plattform für Anwendungen werden, es sollen dedizierte Rechte an einzelne Leistungserbringer gegeben werden können, es soll Referenzen auf externe Dokumente geben können. Da mache ich überall einen Haken dran, das ist sinnvoll.

Jetzt kommt das große ABER. Die Orientierung an internationalen Standards, die aus unserer Sicht immens wichtig ist, ist nach hinten priorisiert worden. Nicht nur, dass Deutschland mit einer nicht IHE-konformen Akte an den Start gehen wird. Schlimmer noch: Selbst die Weiterentwicklungen orientieren sich nicht an diesen Standards. Je mehr Entwicklungsaufwand jedoch in die deutsche Sonderlösung gesteckt wird, umso mehr werden wir nacharbeiten müssen. Wir werden doppelt zahlen. Einmal für die Anpassungen der vorhandenen Lösungen an die deutsche Sonderspezifikation und ein zweites Mal für die Rückabwicklung und die Rückführung der deutschen ePA auf internationale Standards.

Abgesehen davon: Die Nutzerfreundlichkeit ist im Weiterentwicklungsszenario noch nicht in den Fokus gerückt. Woran ich das festmache? Ein wichtiger Indikator ist der dokumentenzentrierte Aufbau der Akte. In der ePA werden auch in der nächsten Stufe hauptsächlich Dokumente abgelegt – wer im privaten oder beruflichen Umfeld mal viele Dokumente gesammelt hat, weiß wie schnell das unübersichtlich wird. Und wie viele Dokumente rund um unsere Gesundheit und Krankheit sammeln wir wohl in einem ganzen Leben? Wer soll da noch durchsteigen? Welches Ordnungssystem kann da sinnvoll sein? Aktuell ist geplant, dass sich jeder seine eigene Struktur aufbauen kann. Ich fürchte, da entsteht ein Chaos, durch das dann keiner mehr durchblickt. Wenn alle Beteiligten hingegen strukturierte Daten an die ePA senden könnten, ergäbe das viel mehr Möglichkeiten bei autoantischer Zuordnung, Filterfunktionen & Co. Was ich mir auch wünschen würde sind „intelligente“ (Online-) Formulare, die bereits zum Teil vorausgefüllt sind, dem Versicherten beim Ausfüllen aktiv Tipps, Hinweise etc. geben und die Plausibilität der Eingaben in Echtzeit prüfen, um dem Versicherten bereits bei der Eingabe Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Oder Informationsmodule, die Interaktivität ermöglichen. Alles nicht umsetzbar mit der aktuell vorherrschenden dokumentenzentrierten Denkweise. Und dabei doch so wichtig für eine kundenorientierte, moderne Akte.

Eines möchte ich klar stellen: Ich bin ein großer Befürworter der Akte. Ich möchte sie nicht verhindern, habe keine Bedenken. Ganz im Gegenteil: Ich bin mir sicher, dass sie uns in der Versorgung und Betreuung unserer Versicherten einen riesigen Schritt weiterbringt. Und deswegen liegt mir auch so viel daran, dass sie von Anfang an ein großer Erfolg wird. Bei dem alle Beteiligten gerne mitmachen. Wir verschenken sonst so viel Potenzial. Nur deswegen bin ich so hartnäckig und lege immer wieder den Finger in die Wunde. Wichtig ist mir dabei, konstruktiv zu sein und Vorschläge einzubringen, wie wir es besser machen können. Ich wünsche mir hier mehr Zusammenarbeit. So könnten ein runder Tisch aus BSI, BMG und Datenschutz im Dialog mit der Industrie Standards festlegen, die Rechtssicherheit bei Datenschutz und Informationssicherheit garantieren. So könnten wir bestehende Projekte wie den Modellversuch „Zukunftsregion digitale Gesundheit“ in Berlin nutzen, um gemeinsam Dinge auszuprobieren. Damit die ePA eine akzeptierte Selbstverständlichkeit wird, die uns bei Gesundheit und Krankheit unterstützt.

 

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