Zukunft neu gestalten – besser leben nach Corona

Mehr Entschleunigung und Zeit für uns selbst – was wir für die Zukunft aus der Corona-Pandemie lernen können.

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Im Corona-Lockdown mussten wir auf vieles verzichten: Freunde treffen, im Sportverein trainieren, beim Lieblingsitaliener um die Ecke ein Glas Wein trinken. Doch nicht alles hat uns eingeschränkt, so manches Verhalten hat unseren Alltag auch positiv verändert und vor allem: entschleunigt. Wir hatten plötzlich weniger soziale Verpflichtungen und mehr Zeit für uns selbst.

Anstatt jeden Morgen zum Arbeitsplatz zu pendeln, hatten wir dank Homeoffice mehr Zeit für uns, um eine Runde zu laufen, die Zeitung zu lesen oder in Ruhe zu frühstücken. Es gab eine neue Normalität. Doch jetzt kehrt langsam der alte Rhythmus wieder zurück. Und plötzlich stellen sich viele Fragen: Wollen wir, dass alles wieder so wird wie vorher? Was wollen wir aus der neuen Normalität mitnehmen? Welche Werte sind uns nach dieser Zeit wichtig? Und wie haben wir uns verändert? Darüber sprechen wir mit einer Expertin, die wertvolle Tipps hat, wie wir nicht wieder in alte Muster verfallen und zudem jeden Tag sinn- und wertvoll gestalten können.

Alte Verhaltensmuster loslassen – Entschleunigung genießen

Dr. phil. Dipl.-Psych. Isabella Helmreich ist psychologische Psychotherapeutin und wissenschaftliche Leiterin des Bereichs Resilienz & Gesellschaft am Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) in Mainz. Sie sieht in der Pandemie eine Chance, eigene Verhaltensmuster zu hinterfragen und zu verändern: „Die Pandemie hat uns gezeigt, wie schnell wir uns an neue Routinen und Abläufe gewöhnen können. So haben wir wieder häufiger mit alten Bekannten telefoniert, mehr selbst gekocht und endlich das Buch gelesen, das so lange unbeachtet auf dem Nachttisch lag. Vielen hat es gutgetan, zu entschleunigen, nicht mehr im Hamsterrad der Termine gefangen zu sein und mehr Zeit für Spontaneität und Ruhe zu haben. Für manche war diese Entschleunigung wie eine Vollbremsung auf der Autobahn des Lebens. Für viele eine wichtige Erfahrung und eine Chance, zu überdenken, was uns wirklich wichtig ist im Leben und was man nach der Pandemie-Zeit beibehalten will.“

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Unsere Expertin

Dr. phil. Dipl.-Psych. Isabella Helmreich
Psychologische Psychotherapeutin und wissenschaftliche Leiterin des Bereichs Resilienz & Gesellschaft am Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) in Mainz.

Auch nach Corona flexibel bleiben: die besten Tipps für einen neuen Alltag

Die Lockerungen der Maßnahmen führen uns Schritt für Schritt zurück in den gewohnten Alltag. Doch das bedeutet nicht, dass wir deswegen in unsere ursprünglichen Verhaltensmuster zurückfallen müssen. Nur weil wir zum Beispiel im Büro wieder vor Ort arbeiten, heißt das nicht, dass wir auch wieder auf Bewegung oder gesunde Ernährung verzichten sollten. Wir können uns bewusst machen, was uns im Lockdown gutgetan hat und warum. Das Bewusstsein hierfür und die eigene Flexibilität können wir täglich trainieren, indem wir immer wieder mal Neues ausprobieren, wie zum Beispiel neue Freizeitaktivitäten entdecken oder neue Wege zur Arbeit oder im eigenen Wohnviertel erkunden. Damit dies noch besser gelingt, hier einige wertvolle Tipps:

  1. Erstellen Sie eine Liste mit neuen Lieblingsaktivitäten
    Schreiben Sie eine Liste mit neuen Aktivitäten, die Ihnen während der Pandemie gutgetan haben, beispielsweise Spazierengehen, Lesen oder Meditation.
     
  2. Tragen Sie sich hierfür Zeit im Terminkalender ein
    Integrieren Sie diese Aktivitäten ganz bewusst in Ihren Alltag, indem Sie diese in Ihren Kalender eintragen oder einen extra dafür vorgesehenen Wochenplan erstellen.
     
  3. Reaktivieren Sie Energiequellen von früher
    Machen Sie sich bewusst, was Energiequellen aus Ihrem „alten“ Leben sind, die Sie vielleicht zu Zeiten der Pandemie nicht nutzen konnten, jetzt aber wieder aufnehmen können, zum Beispiel Mannschaftssport, Restaurantbesuche oder Einladungen von Freunden nach Hause.
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  4. Bleiben Sie neugierig
    ​​​​​​​Öffnen Sie sich für Neues! Lernen Sie eine neue Sprache oder besuchen Sie ein Ausflugsziel, an dem Sie noch nie waren. Niemand zwingt Sie, an alten Routinen festzuhalten. Dadurch trainieren Sie Ihr Gehirn, flexibel zu bleiben.

Neue Werte definieren: Wie will ich in Zukunft leben?

Der Lockdown hat nicht nur unser Alltagsverhalten verändert, sondern auch unser Werteempfinden. Wir hatten Zeit, herauszufinden, was für uns selbst von Bedeutung ist, was uns Energie gibt und was uns Energie nimmt. Dieser Ansicht ist auch Dr. Isabella Helmreich: „Vielen Menschen hat die Pandemie ermöglicht, einen neuen Blick auf ihr Leben zu werfen und zu merken, was wirklich wichtig ist und was vielleicht eher durch andere eingefordert wird oder sozial erwünscht ist, wie zum Beispiel außerschulische Zusatzförderungen der eigenen Kinder oder Einstellungen wie: Jeder Abend muss verplant sein, sonst ist man out. Wir haben gelernt, was uns entspannt und in Krisensituationen hilft. Der erzwungene Stillstand hat vielen aufgezeigt, wie wichtig und wohltuend für die Seele Pausen und unverplante Zeit sein können.“

Einigen hat die Isolation auch gezeigt, wie wichtig Gemeinschaft ist. Andere wiederum haben die Erfahrung gemacht, dass Zeit für sich selbst wertvoll ist, um sich mehr mit den eigenen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Alle diese Erfahrungen führen zu der Frage: In was möchten wir zukünftig mehr Zeit investieren? Und wie kann das gelingen?

Selbstmanagement: Tipps, um Zeit zukünftig bewusster zu nutzen

Die eigene Zeit ist sehr kostbar und begrenzt. Daher sollten wir uns darüber bewusst sein, wie wir sie verbringen wollen. Hierfür empfiehlt Dr. Isabella Helmreich zwei praktische Übungen: „Diese Übungen machen einem klar, ob die investierte Zeit in den verschiedenen Lebensbereichen der Bedeutung entspricht, die diese Lebensbereiche für uns haben. Denn was einem immer klar sein muss: Der Tag hat nur 24 Stunden.

Lebenswert: Was für uns wirklich zählt

Sich bewusst zu machen, für was wir uns gerne mehr Zeit nehmen wollen, zeigt gleichzeitig, was für uns von Wert ist. Die Corona-Pandemie hat vieles, was uns selbstverständlich erschien – Freunde treffen, sich frei bewegen, reisen oder ausgehen –, zu etwas Besonderem gemacht. „Corona hat viele Menschen dazu bewogen, sich mit sich und ihren Werten auseinanderzusetzen“, erklärt Dr. Helmreich, „oftmals einfach nur, weil sie endlich die Zeit dazu hatten und weil wir mit unserem eigenen Leben und Lebensstil konfrontiert wurden. So haben sich viele die Fragen gestellt: Was ist mir wirklich wichtig im Leben, wie will ich leben, was will ich weitergeben?“

Vielleicht haben wir gemerkt, dass es uns guttut, kreativer zu sein, uns mehr sozial zu engagieren oder mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Doch die Herausforderung wird sein, die neu definierten Werte beizubehalten und zu leben.

Die besten Tipps, um jeden Tag „wert-voll“ zu gestalten

Dr. Isabella Helmreich weiß, wie es gelingen kann, jeden Tag nach den eigenen Werten zu leben. „Wenn ich mir selbst bewusst bin, welche Werte ich als wertvoll und für mich als wichtig definiere, ist ein erster Schritt in die Richtung getan, jeden Tag entsprechend den eigenen Werten zu gestalten.“ Mit ein paar hilfreichen Tipps können wir es schaffen, persönliche Werte nicht aus den Augen zu verlieren.

Werte und ihre Bedeutung für das Zusammenleben

Werte sind Einstellungen, Verhaltensweisen sowie Ideen, die wir persönlich als wichtig, wertvoll und erstrebenswert halten. Sie geben unserem Leben Sinn und Kontinuität. Sie informieren uns zum einen darüber, wie zufrieden wir in unserem Leben sind, und dienen zum anderen als Kompass für unser Denken und Handeln. Unsere Wertevorstellungen helfen uns, unserem Leben eine Richtung zu geben, und definieren im Zusammenleben ein gemeinschaftliches Wertegefühl.

Psychische Gesundheit

Vorbeugen, behandeln und verstehen - mit Unterstützung der SBK psychische Herausforderungen bewältigen

Viele betroffene Menschen fragen sich, was mit ihnen los ist: Habe ich nur eine Krise oder bin ich krank? Was kann ich für mich tun? Erste Ansprechpartner können Freunde und Angehörige sein. Für viele Betroffene ist der Hausarzt eine gute erste Anlaufstelle, um professionelle Hilfe zu bekommen. Wie die SBK Sie dabei unterstützen kann, erfahren Sie hier.

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