Big Data und Digitalisierung

Hintergrund: Big Data und Digitalisierung in der GKV – Was passiert mit unseren Gesundheitsdaten? (14.08.2018)

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SBK fordert Schaffung von bindenden Rahmenbedingungen in der Datennutzung und rechtliche Grundlagen – das Ergebnis: Weniger Fehldiagnosen, bessere Beratung und schnellere Prozesse für die Versicherten

„Big Data“ ist das Buzz Word der Stunde. Dabei ist Big Data mehr als nur ein bloßes Schlagwort und im Gesundheitswesen relevant für jeden einzelnen. Schon jetzt stehen aufgrund der digitalen Erfassung und Speicherung von Patienten- sowie Behandlungsdaten gewaltige Datenvolumina zur Verfügung. Bis zum Jahr 2020 wird ein jährlich generiertes digitales Datenvolumen von 40 Zettabytes (40 x 1021 Bytes) weltweit prognostiziert. Gleichzeitig beschränkt sich die Nutzung der existierenden Daten in Deutschland bislang nur auf Teilgebiete(1). Politik, Krankenkassen, Forschung und Wirtschaft arbeiten seit langem mehr oder weniger intensiv daran, das zu ändern – allerdings ist die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben in Deutschland ein steiniger Weg und es liegt noch einiges an Strecke vor den Beteiligten.

Für Versicherte und Patienten ist vor allem ein Aspekt der Big Data-Diskussion von Interesse: Welche Auswirkungen hätte die umfassende Datennutzung auf ihre Versorgungswirklichkeit und wie könnten sie davon profitieren?

Deutlichere Nutzenkommunikation erforderlich

Geht es um die Bereitschaft der Deutschen, ihre Gesundheitsdaten mit Krankenkassen, Leistungserbringern und der Forschung zu teilen, wird ein Spannungsfeld deutlich. Je nach betrachteter Studie sind sie eher positiv oder negativ eingestellt. Das Problem: Werden die Vorteile einer Datennutzung im Vorfeld der Befragung umfassend kommuniziert, antworten die Studienteilnehmer eher mit Zustimmung, bei eher offenen Fragestellungen eher mit Ablehnung. Das heißt: Um die Datennutzung im Gesundheitswesen voranzutreiben und die noch herrschenden Vorbehalte zu überwinden, muss eine transparente und klare Kommunikation erfolgen. Allen Versicherten und Patienten muss stärker verdeutlicht werden, wie sie von der Datennutzung im Kleinen und im Großen profitieren. Nur dann kann Big Data im Gesundheitssektor zum Erfolg führen.

Wie profitieren der Einzelne und die Gesellschaft von Big Data?

Ein Feld, in dem „Big Data“ enorme Fortschritte bringen kann, ist die Forschung: Die Arbeit mit dem existierenden und täglich anwachsenden Datenschatz würde es Wissenschaftlern ermöglichen, neue Hypothesen zu Krankheitsentstehung und -verläufen aufzustellen, personalisierte Therapien für Patienten zu entwickeln und ihnen Hinweise auf neue Therapieansätze liefern.

Auch in der Behandlung liegen die Vorteile auf der Hand: Diagnosen, Verordnungen und Informationen, auf die aktuell nicht alle Leistungserbringer zugreifen können, bergen das Risiko von Fehldiagnosen und falsch gewählten Behandlungs-formen. Eine Zusammenführung aller Daten ermöglicht den Behandlern hingegen einen vollständigen Überblick, der bei Diagnose und Behandlungsentscheidung sinnvoll unterstützt.

Und nicht zuletzt würden die Versicherten in der Beratung durch die Krankenkassen profitieren. Ein Beispiel: Über eine intelligente Zusammenführung und Analyse der vorliegenden Daten könnten Krankenkassen Versorgungsdefizite früh erkennen und ihre Versicherten beraten.

Rahmenbedingungen verhindern wertschöpfende Umsetzung

Um die Digitalisierung des Gesundheitswesens voranzutreiben und alle Möglichkeiten im Sinne des Versicherten und Patienten auszuschöpfen, ist die Schaffung elementarer Rahmenbedingungen vonnöten, die die Infrastruktur genauso betreffen, wie den Datenschutz und weitere rechtliche Vorgaben. Um Vorbehalte aus dem Weg zu räumen und Gesundheitsdaten zum Wohle aller Versicherten und Patienten nutzen zu können, gibt es einige Baustellen, die noch bearbeitet werden müssen:

Eine grundlegende Herausforderung ergibt sich aus der Tatsache, dass die existierenden Daten bei niedergelassenen Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen noch sehr „verstreut“ gelagert werden. Hier gilt es zügig eine einsatzfähige Infrastruktur zu schaffen, über die diese Daten zusammengeführt werden können und die die Daten vor dem Zugriff Unbefugter schützt. Denn auch wenn schon seit geraumer Zeit an der so genannten Telematikinfrastruktur gearbeitet wird: Feste Vorgaben für die Umsetzung sind in vielen Bereichen noch nicht vereinbart worden. Zwar hat das Bundesforschungsministerium angekündigt, dass für diese Legislaturperiode ein Vorschlag für eine „unbestechliche Instanz“ zu erwarten sei, die über den Zugriff auf die Gesundheitsdaten wachen soll – bislang aber fehlt hierfür ein überzeugendes Konzept. Und auch Jens Spahn hat an den verschiedensten Stellen Ankündigungen gemacht und seine Vorstellungen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens dargelegt – zum Beispiel jüngst im Entwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG). Doch es ist Eile geboten. Die Probleme der fehlenden Vorgaben zeigen sich bereits: Inzwischen arbeiten mehrere Anbieter an Lösungen für die Gesundheitsakte, bei denen jedoch nicht sichergestellt ist, dass sie miteinander kompatibel sind und wie beispielsweise die Mitnahme von Daten beim Kassenwechsel funktionieren soll. Leidtragende sind die Versicherten. Sie müssen sich durch ein Wirrwarr der Systeme kämpfen, gegebenenfalls wechseln oder mit unterschiedlichen Leistungserbringern auf unterschiedlichen Wegen zusammenarbeiten.

Die SBK plädiert daher in diesem Zusammenhang für eine Lösung zur Speicherung aller gesundheitsrelevanten Daten, die Interoperabilität gewährleistet. Das System, in dem die Daten zusammengeführt werden, muss mit an-deren gegenwärtigen oder zukünftigen Systemen ohne Einschränkungen interagieren können.

Zudem setzt sich die SBK für eine verpflichtende Datenverfügung ein, damit Versicherte zu jedem Zeitpunkt Herr ihrer Daten sind. Im Rahmen dieser Datenverfügung hat jeder Versicherte jederzeit unkompliziert die Möglichkeit, selektive, auch temporäre Zugriffsrechte zu vergeben oder diese wieder zu entziehen.
 
Damit die Gesundheitsdaten, die Versicherte freigeben, auch für die jeweils befugten Leistungserbringer und -träger sinnvoll zusammengeführt werden können, ist die Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen wichtig. Noch gelten für alle Gesundheits-Sektoren unterschiedliche Datenregelungen und Befugnisse. Krankenkassen etwa ist die versichertenbezogene Zusammenführung und Nutzung der zur Verfügung stehenden Daten – bis auf einige Ausnahmen – aktuell grundsätzlich untersagt.

Wünschenswert sind außerdem die Bündelung von Daten und die Beschleunigung von Datenflüssen, sodass alle Gesundheits-Sektoren im Idealfall Zugriff auf tagesgenaue und sektorenunabhängige Informationen zu allen Angaben haben.

Mit der seit Mai 2018 geltenden EU-Datenschutzgrundverordnung wird die Entscheidungshoheit des Einzelnen über seine Daten in den Mittelpunkt gestellt. Dies versucht der deutsche Gesetzgeber jedoch aktuell zu konterkarieren. Im so genannten 2. Datenschutz-Anpassungsgesetz, das als Entwurf vorliegt, wird die Einwilligung in die Datennutzung für Krankenkassen und Pflegekassen explizit ausgeschlossen, solange sie an anderer Stelle im Sozialgesetzbuch nicht ausdrücklich erlaubt wird. Das heißt: Der bisher bestehende Flickenteppich bliebe bestehen – im Krankengeldfallmanagement wäre eine Datennutzung erlaubt, Serviceangebote wie eine Auslandsberatung zum Versicherungsschutz im Ausland wäre verboten. Sogar wenn der Versicherte eine Auskunft wünscht. Das ist ein eindeutiger Eingriff in die Datenverfügungshoheit des Versicherten.

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