Hilfsmittel-Versorgung: wenig Transparenz für Patienten
Pressemitteilung: Krankenkassen leisten unterschiedlich gut – SBK fordert Vergleichbarkeit (30.05.2018)
Stand: 30.05.2018
Im April 2018 feierte das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) sein erstes Jubiläum. Es sollte spürbare Verbesserungen für Patienten anstoßen. Und: Krankenkassen sollten bei der Versorgung mit Hilfsmitteln künftig nicht nur auf den Preis schauen, sondern verstärkt auch die Qualität berücksichtigen. „Leider herrscht in Punkto Qualität immer noch keine Transparenz für die Versicherten. Dabei gibt es gerade im Hilfsmittelbereich große Unterschiede zwischen den Kassen“, sagt Dr. Gertrud Demmler, Vorständin der Siemens-Betriebskrankenkasse SBK. „Die zeitnahe Versorgung mit hochwertigen Inkontinenz- oder Stoma-Artikeln kann für Betroffene einen massiven Beitrag zur Lebensqualität bedeuten. Trotzdem ist die Leistungsbereitschaft von Kassen eine Black Box. Das sollten wir ändern.“ Die SBK legt erstmals Zahlen vor und fordert diesbezüglich mehr Vergleichbarkeit für die Versicherten.
Bereits im letzten Jahr forderte die damalige Patientenbeauftragte der Bundesregierung Ingrid Fischbach eine erweiterte Berichtspflicht für Krankenkassen, unter anderem auch im Bereich Hilfsmittel. Der Fokus solle auf der Ablehnungsquote bzw. Zahl und Ausgang der Widerspruchsverfahren liegen. „Will man die Qualität in der Hilfsmittelversorgung vergleichbar machen, braucht es einheitliche Kriterien“, weiß auch SBK-Vorständin Dr. Gertrud Demmler. Sie fordert eine GKV-weite Diskussion darüber, welche Parameter das Genehmigungsverhalten von Krankenkassen aus Versichertensicht am besten abbilden. „Beschwerden und Widersprüche sind zentrale Indikatoren für die Leistungsbereitschaft von Krankenkassen – gerade im Bereich Hilfsmittel. Aus unserer Sicht spielt zudem die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eine entscheidende Rolle für den Patienten.“
Beschwerden
Im Jahr 2017 genehmigten die Kundenberater der SBK über 191.000 Hilfsmittel. In 146 Fällen kam es während der Bearbeitung zu einer Beschwerde durch den Versicherten. Das ergibt eine Beschwerdequote von rund 0,08 Prozent. „In 65 Prozent der Fälle ging es dabei um den Leistungserbringer, also den Dienstleister, der unsere Patienten mit Hilfsmitteln versorgt. In jedem einzelnen Fall konnten wir durch ein persönliches Gespräch die Situation für den Versicherten zügig klären, indem wir den Dienstleister an die vertraglich geregelten Servicestandards erinnert oder den Patienten eine alternative Versorgung angeboten haben.“
Widersprüche
In 118 Fällen in 2017 reichten betroffene Versicherte gegen eine Ablehnung im Bereich Hilfsmittel Widerspruch bei der zentralen Widerspruchsstelle der SBK ein. Bei seiner Prüfung ist der Widerspruchsausschuss, paritätisch besetzt mit Versicherten und Arbeitgebern, an das geltende Recht gebunden; in berechtigten Fällen revidiert er die Entscheidung der SBK. In knapp 80 Prozent der Fälle hielt die Entscheidung der SBK der unabhängigen Prüfung durch den Widerspruchsausschuss stand. 17 Versicherte haben nach Bestätigung der Ablehnung auch durch den Widerspruchsausschuss in 2017 Klage vor dem Sozialgericht erhoben. Demmler: „Widersprüche gab es unter anderem bei der Versorgung mit Hörgeräten, bei tragbaren Defibrillatoren oder der umstrittenen Helmtherapie für Babys. Unsere Kundenberater konnten die Betroffenen in der Regel schnell und vor allem rechtssicher unterstützen.“
Bearbeitungsdauer 2017
Gerade bei der Versorgung mit Hilfsmitteln spielt die Dauer der Bearbeitung für Betroffene eine entscheidende Rolle. Eine zügige Entscheidung über einen Rollstuhl (3,2 Tage), einen Badewannenlifter (2 Tage) oder ein Krankenbett (5,1 Tage) bedeutet für die Betroffenen Sicherheit und Mobilität im Alltag. Die schnelle Bearbeitung von Inkontinenz- und Stoma-Artikeln (2,6 bzw. 3,4 Tage), Tens-Geräten (2,4 Tage) oder Insulinpumpen (6,5 Tage) leistet einen wesentlichen Beitrag zu Lebensqualität und Therapieerfolg. „Die Bearbeitungsdauer ist deshalb seit langem ein relevantes Kriterium im SBK-internen Benchmark. Sicher – bei zahlreichen Hilfsmitteln braucht es das medizinische Fachurteil des MDK. Trotzdem darf das keine Ausrede sein, Patienten länger als drei Wochen zu vertrösten“, betont die SBK-Vorständin .
Weitere Kriterien erarbeiten
Neben Beschwerden, Widersprüchen und der Bearbeitungsdauer fordert Dr. Gertrud Demmler die GKV auf, weitere Kriterien zu erarbeiten, um das tatsächliche Agieren von Krankenkassen im Bereich Hilfsmittel für Versicherte vergleichbar zu machen. „Aus Versichertensicht hoch relevant ist das Thema wirtschaftliche Aufzahlung, d.h. wieviel Patienten aus eigener Tasche aufzahlen, um das Wunschprodukt zu erhalten. Hier hat das HHVG die notwendigen Grundlagen für Transparenz geschaffen. Die Politik muss diese Entwicklungen nun nachhalten und Ableitungen treffen. Unsere Erfahrung zeigt zudem, dass es im Inkontinenzbereich für Patienten zentral ist, zwischen mehreren aufzahlungsfreien Alternativen wählen zu können. Die Anzahl der angebotenen Alternativen eignet sich damit ebenfalls als Qualitätskriterium für Krankenkassen. Insgesamt betrachtet war und ist die Diskussion um die Qualität in der Hilfsmittelversorgung wichtig, um Veränderungen für die Patienten anzustoßen. Sie sollte nicht auf das Thema Ausschreibungen verkürzt werden, sondern sich an der Versorgungsrealität der Patienten orientieren.“
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