Leistungstransparenz - Richtiger Wettbewerb für Krankenkassen
Meinung: SBK-Vorstand Dr. Hans Unterhuber spricht über die Wahrnehmung des Versicherten als zentralen Maßstab in der Qualitätsdebatte der GKV (06.08.2018)
„Mit diesen Tricks schikanieren die Krankenkassen ihre Patienten. Ziel: Die Patienten sollen ihre Widersprüche zurücknehmen!“ Mit diesem Aufmacher hat die BILD Zeitung Mitte Juli eine Diskussion entfacht, die aus meiner Sicht in der GKV viel zu wenig und viel zu wenig offen geführt wird. Dabei ist der Vorwurf nicht neu. Einige Wochen zuvor hatte die Unabhängige Patientenberatung in ihrem Jahresbericht ein ähnliches Fazit gezogen: Versicherte benötigen zunehmend gesundheitsrechtliche Kompetenz, um Ansprüche gegenüber Kostenträgern durchsetzen zu können. Im Klartext: Kassen wollen nicht leisten, lassen Versicherte bewusst im Unklaren.
Als Kassen-Chef frage ich mich ernsthaft: Ist das der vielzitierte Qualitäts-Wettbewerb, den wir uns in der GKV auf die Fahnen geschrieben haben? Preiskampf um den niedrigsten Zusatzbeitrag und Leistungsverweigerung, wenn es darauf ankommt? Ich denke nicht. Persönlich ärgere ich mich über das Pauschalurteil. Immer ist von „den Kassen“ die Rede, nie werden Ross und Reiter benannt. Dabei gibt es Krankenkassen, die anders agieren. Die ihre Informationspflicht ernst nehmen, die Versicherte über ihre Ansprüche aufklären, sie beraten und nach Lösungen suchen. Sicher, behaupten kann das jeder. Aber was passiert im Ernstfall tatsächlich? Die Antwort darauf kann nur der Versicherte liefern. Womit wir beim Kern des Problems wären: Während wir beim Beitragssatz die absolute Transparenz über jede Nachkommastelle haben, herrscht bei Qualitätsparametern wie Leistungsbereitschaft oder Servicequalität völlige Intransparenz.
Aktuell sind die Erfahrungen der Versicherten mit ihrer Krankenkasse nicht transparent. Vielmehr: Versicherte werden zu ihrer Wahrnehmung gar nicht befragt. Stattdessen ist der Qualitätsbegriff in der GKV von Experten getrieben: Wissenschaftler, Kassenmanager und Kassenportale legen fest, was ein gutes Ergebnis für den Versicherten ist – weitgehend unabhängig davon, wie dieser das Vorgehen seiner Kasse tatsächlich erlebt. Das muss sich ändern. Wenn wir den Versicherten als mündigen Bürger begreifen, dann muss seine Wahrnehmung ein zentraler Maßstab in der Qualitätsdebatte der GKV sein.
Das erfordert Mut. Und ein neues Qualitätsverständnis in der GKV. Nicht mehr nur der Beitragssatz ist wettbewerbsrelevant. Oder der Leistungsumfang, der auf der Website mit schönen Worten beschrieben wird. Will man die Qualität von Krankenkassen tatsächlich vergleichen, ist das WIE der Leistungsgestaltung entscheidend. Um dies zu messen, braucht es aus meiner Sicht zwei Dinge: Zum einen benötigen wir die relevanten Qualitätsparameter aus Versichertensicht. Das können zum Beispiel Prozessdaten wie Ablehnungsquoten, der Anteil der (erfolgreichen) Widersprüche oder die Bearbeitungsdauer eines Antrags sein. Kassen werden verpflichtet, diese Kennzahlen regelmäßig und leicht verständlich zu veröffentlichen. Zum anderen müssen die Versicherten selbst zu Wort kommen. Denkbar wäre zum Beispiel eine laufende GKV-weite Befragung von Versicherten zur Qualitätswahrnehmung und -erfahrung bei „ihrer“ Krankenkasse, durchgeführt durch eine unabhängige Institution.
Das Ergebnis wird nicht immer bequem sein. Das sind Transparenz und Wettbewerb selten. Aber wenn uns das Ergebnis als GKV antreibt, besser zu werden, sollten wir diesen Weg für unsere Versicherten einschlagen. Nur wenn Versicherte Preis und Qualität einer Krankenkasse vergleichen können, können sie ihre Wahlfreiheit in Anspruch nehmen und die für sie und ihre Belange beste Krankenkasse wählen.
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