Brustkrebs: Drei weitere Biomarker-Tests als Kassenleistung

Interview: Mehr Vielfalt, mehr Sicherheit? SBK-Expertin Christina Bernards hinterfragt die Entscheidung des G-BA (04.11.2020)

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Christina Bernards, Fachexpertin bei der SBK

Jährlich erkranken in Deutschland ca. 70.000 Frauen an Brustkrebs. Bei leichteren Formen des Mammakarzinoms gilt es eine Risikoabwägung zu treffen: Bietet eine zusätzliche Chemotherapie mehr Nutzen als Schaden für die Patientinnen? Bei dieser Entscheidung helfen sogenannte Biomarker-Tests, die das individuelle Rückfallrisiko von Brustkrebs im Frühstadium bestimmen. Derzeit kann nur ein Test von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden. Nun hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) weitere Testverfahren in die Richtlinie aufgenommen. Aus Sicht der SBK-Expertin Christina Bernards eine kritische Entscheidung.

Frau Bernards, was genau hat der G-BA entschieden?

Christina Bernards: Im Juni 2019 hat der G-BA den Biomarker-Test Oncotype DX in den Katalog der Regelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen. Als SBK erstatten wir diesen Test für betroffene Patientinnen bereits seit 2017. Nun haben die Experten des G-BA drei weitere Testverfahren in die Erstattung gebracht. Mehr Vielfalt für die Patientinnen hört sich im ersten Moment gut an. Ist es aber nicht: Der G-BA hat sich damit gegen die Einschätzung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) für den Einsatz von Verfahren ausgesprochen, die ein deutlich geringeres Evidenzniveau haben. Die eigentliche Frage ist nicht, was entschieden wurde, sondern wie diese Entscheidung zustande kam. Langwierige Entscheidungsprozesse, insbesondere der Nachweis der erforderlichen Evidenz, hatten eine Aufnahme des Oncotype DX in die Regelversorgung über Jahre verzögert, spielten aber bei der jetzigen Entscheidung offensichtlich keine Rolle mehr.

Ist die Fokussierung auf nur einen Anbieter nicht auch kritisch?

Christina Bernards: Ich verstehe das Argument, dass mit der alleinigen Erstattung von Oncotype DX eine Monopolstellung entstanden ist, die man durchaus kritisch bewerten kann. Trotzdem muss es für Entscheidungen des G-BA nachvollziehbare Anforderungen an die Evidenz geben. Die Sicherheit der Patientinnen ist an dieser Stelle das oberste Gebot. Sie benötigen in dieser schwierigen Situation eine verlässliche Aussage. Vielleicht lohnt sich hier auch der Blick ins europäische Ausland: Welche Tests werden hier seit Langem eingesetzt und welche haben sich nicht bewährt? Welche anderen Argumente sind aus Betroffenensicht so gewichtig, dass sie stärker wiegen als medizinische Evidenz?

Wie gehen Sie als SBK mit dieser Entscheidung um?

Christina Bernards: Als Kasse können und dürfen wir an der Stelle nicht eingreifen. Arzt und Patientin entscheiden gemeinsam, ob und wenn ja, welches Testverfahren angeordnet wird. Wir können nur durch Aufklärung dazu beitragen, dass betroffene Patientinnen eine informierte Entscheidung treffen. In der Praxis ist es tatsächlich so, dass die Inanspruchnahme von Biomarker-Testverfahren rückläufig ist. Bei ca. 30 Prozent der Brustkrebs-Patientinnen kann ein Biomarker-Test die Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie sein. Unsere Daten zeigen, dass von diesen 30 Prozent lediglich 20 Prozent der Patientinnen einen Test bekommen. Das ist aus meiner Sicht wirklich erstaunlich. Biomarker-Tests bestimmen das individuelle Rückfallrisiko von Brustkrebs im Frühstadium und bieten einen echten Mehrwert in der Frage, ob eine Chemotherapie sinnvoll ist oder nicht. Bisher ist für uns völlig ungeklärt, warum hier kein standardisierter Einsatz gemäß Leitlinie erfolgt.

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