„Die digitale Identität hat das Potenzial vieles einfacher zu machen“

Interview: Digitale Identitäten, mögliche Ablösung der eGK, Datenschutz – Dr. Christian Ullrich beantwortet 3 Fragen rund um die digitale Zukunft des Gesundheitswesens (15.11.2023)

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Tagesaktuelle Datenverfügbarkeit, mehr Umsetzungsflexibiliät und ein nachvollziehbarer Umgang mit dem Datenschutz - das wünscht sich Dr. Christian Ullrich bei der Weiterentwicklung des digitalen Gesundheitswesens

Im nächsten Jahr wird sich aller Voraussicht nach einiges tun bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen: Zwei Gesetze befinden sich schon im parlamentarischen Verfahren, zwei weitere wurden angekündigt. Geht es jetzt endlich richtig los? Beginnt die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beschworene Aufholjagd?

Sagen wir so: Wir sind auf dem richtigen Weg. Es ist vieles gut und richtig, was in den beiden Gesetzesentwürfen steht. Ich hoffe, dass sie das parlamentarische Verfahren möglichst „unbeschadet“ überstehen. Mit den Regelungen des DigiG (Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens Digitalgesetz) macht die Digitalisierung einen echten Schritt in Richtung digitalen Versorgungsalltag. Dazu beitragen wird beispielsweise die verpflichtende Einführung des eRezepts. Ein Meilenstein ist auch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz mit den neuen Möglichkeiten für die Kassen: Wenn wir zukünftig die Daten unserer Versicherten für eine individuelle Beratung nutzen dürfen, ist das ein großes Plus für Versorgung und Prävention. Damit dies auch die entsprechende Wirkung entfalten kann, fehlt allerdings noch ein Entwicklungsschritt: Die Daten müssen schneller, im Idealfall tagesaktuell zur Verfügung stehen. Sonst beraten wir auf einem alten Informationsstand und damit wäre nur wenig gewonnen.

Das DigiG liegt auf dem Tisch und wird aller Voraussicht nach Anfang 2024 in Kraft treten. Heben wir damit das Potenzial, das die Digitalen Identitäten versprechen?

Gerade in dem Punkt wirken die Vorschläge des Bundesgesundheitsministeriums noch etwas unentschlossen. Die digitale Identität soll langfristig als Alternative zur elektronischen Gesundheitskarte etabliert werden. Dieses Vorhaben unterstützen wir, es macht vieles einfacher: Unsere Versicherten brauchen keine Karten mehr im Geldbeutel mit sich tragen oder die Karte umständlich ans Handy halten bei der Anmeldung an die digitalen Anwendungen. Leistungserbringer brauchen keine fehleranfälligen Lesegeräte, die stationär in der Praxis stehen. Und nun steht im DigiG dass die Notfalldaten offline auf der eGK gespeichert werden sollen. Das ist einerseits verständlich, denn wir brauchen für solch wichtige Informationen auch eine ausfallsichere Alternative, falls der Zugriff auf Online-Systeme gestört ist. Andererseits vermisse ich da eine offene, innovative Haltung: Ist die Karte wirklich der beste Weg? Gibt es Alternativen? Ich halte es für viel sinnvoller, im Gesetz nur die wichtigsten Pflöcke einzuschlagen und die Ausgestaltung der Details dann abseits des Gesetzgebungsprozesses zu verorten. Das ermöglicht eine viel flexiblere und nutzerzentriertere Weiterentwicklung der Digitalisierung.

Ebenfalls im DigiG steht, dass in Zukunft die Regelungen zu den Digitalen Identitäten nur noch „im Benehmen“ anstatt „im Einvernehmen“ mit BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) bzw. BfDI (Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) erfolgen müssen. Erwarten Sie sich davon eine Erleichterung in der Gestaltung der Digitalisierung?

Das wird sich zeigen. Für das Schreiben der Spezifikationen, die Entwicklung der einzelnen Anwendungen, ist es sicher eine Erleichterung, aber die Datenschutzaufsicht bleibt ja bei den entsprechenden Behörden. In dieser Funktion können sie uns Kassen den Einsatz von Lösungen untersagen, die aus ihrer Sicht nicht datenschutzkonform sind. Im Grundsatz ist das natürlich gut. Aber was machen wir, wenn der Gesetzgeber uns etwas vorschreibt – beispielsweise bei der Ausgestaltung der ePA – die Datenschutzbehörden es uns verbieten? Unsere Versicherten und wir sitzen dann zwischen den Stühlen. Das schafft kein Vertrauen bei den Menschen. 
 

Die hier zur Verfügung gestellten Inhalte dürfen, unter Angabe der Quelle SBK Siemens-Betriebskrankenkasse, veröffentlicht werden.

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