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Daten im Gesundheitswesen – Zeit für eine Debatte

Interview: Warum die Krankenkassen die Debatte rund um „Daten im Gesundheitswesen“ mitprägen sollten, erklärt Christine Ott, Fachbereichsleiterin für Datenmanagement (27.05.2021)

Christine Ott leitet bei der SBK den Bereich Datenmanagement

Frau Ott, warum rückt die SBK das Thema „Daten im Gesundheitswesen“ aktuell ins Zentrum ihrer Kommunikation?

Nach unserer Überzeugung ist das eines der wichtigsten Themen für die Gegenwart und Zukunft der Gesundheitsversorgung. Künstliche Intelligenz wird schon in naher Zukunft eine wesentliche Rolle in der Versorgung, aber auch in der Steuerung von Ressourcen und Kapazitäten im Gesundheitswesen spielen. Die Basis dafür sind die gesundheitsbezogenen Daten der Menschen. Diese Entwicklung wirft nach unserer Überzeugung viele Fragen auf, auf die wir Akteure des öffentlichen Gesundheitswesens Antworten finden und die wir in die Debatte einbringen sollten. Denn die Weichen für den Umgang mit gesundheitsbezogenen Daten und KI werden bereits gestellt – mit großen Auswirkungen auf die Zukunft der Medizin und die öffentliche Gesundheitsversorgung.
Daten und Datenflüsse sind jedoch nicht nur ein Zukunftsthema, es besteht schon längst akuter Regelungs- und vor allem Handlungsbedarf. Die Patientenvertreterin Claudia Liane Neumann, die zu Gast bei unserer Online-Veranstaltung „Daten im Gesundheitswesen – zwischen Faxpapier und Supercomputern“*  war, beschrieb die Zustände aus ihrer Patientenperspektive beispielsweise als „mittelalterlich“. Damit bezog sie sich auf ihre Erlebnisse als Patientin. Sie berichtete, wie sie mit ausgedruckten Berichten und Diagnosebildern von Arzt zu Arzt laufen und oft mündlich weitergeben musste, was andere Behandler bereits gemacht haben. Dass diese Art der Informationsweitergabe mit erheblichen Informationsverlusten und Frust bei den Patienten einhergeht, ist offensichtlich.

Was sind die großen Fragestellungen, die die Debatte prägen?

Die Fragestellungen sind so vielfältig, dass ich hier nur auf eine Auswahl eingehen kann. Sicherlich geht es um ethische Fragen, zum Beispiel danach, ob wir es als Gesellschaft zulassen wollen, dass Daten und die darauf aufbauenden Erkenntnisse für die Medizin in den Händen einiger großer Konzerne kommerzialisiert werden sollen. Da vertreten wir als SBK ganz klar die Meinung, dass die Politik dafür Sorge tragen muss, dass dieses Wissen vorrangig den Versicherten und dem öffentlichen Gesundheitssystem zugutekommen muss.

Eine weitere Frage, die mich und meine Kolleginnen und Kollegen in diesem Zusammenhang umtreibt, ist: Wie gelingt es uns, die Menschen in diese KI und datengetriebene Zukunft mitzunehmen? Denn für den Erfolg und die Akzeptanz von datengestützter Medizin brauchen wir das Verständnis der Menschen – nicht nur, weil sie auf Basis der DSGVO Herrinnen und Herren ihrer Daten sind und so entscheidend beeinflussen, wer gesundheitsbezogenen Daten bekommt und was damit gemacht werden kann. Eine aktuelle SBK-Umfrage zeigt, dass mehr als die Hälfte der Menschen dem Einsatz von KI in der Medizin kritisch gegenübersteht. Zudem zeigen die Befragungsergebnisse, dass viel zu viele Menschen nach ihrer Wahrnehmung nicht über ausreichende Informationen verfügen, um zu entscheiden, wem sie ihre Daten zu welchem Zweck anvertrauen. Um diesen Informationsdefiziten entgegenzuwirken, braucht es gute Konzepte, nicht nur zum Aufbau von Gesundheits-, sondern auch zum Aufbau von Datenkompetenz. Da sehen wir uns als Krankenkasse aber auch die ganze Gesellschaft in der Pflicht.

Welche Aspekte beim Thema Daten und Datenaustausch sind für die Versicherten besonders relevant?

Mit Blick auf die Versicherten muss auch das Thema Datenflüsse zwischen den einzelnen Akteuren noch einmal unter die Lupe genommen werden. Wie stellen wir sicher, dass Behandlern und Krankenkassen die Informationen vorliegen, die sie brauchen, um die Versicherten bestmöglich im Sinne ihrer Gesundheit zu beraten und zu versorgen? Dass der Informationsfluss zwischen Ärzten nicht optimal läuft, zeigt das eingangs erwähnte Beispiel von Frau Neumann. Der Datenfluss zwischen den Sektoren und auch an uns Krankenkassen läuft mindestens genauso schleppend. Die Krankenkassen erhalten die Abrechnungsdaten ihrer Versicherten mit sechs bis neun Monaten Verspätung. Um die Versicherten aber auf ihren Wunsch hin bedarfsgerecht und angepasst an ihre individuelle Situation zu beraten, brauchen wir tagesaktuelle Daten.

Ein Schritt hin zu besserem Datenfluss zwischen den Beteiligten im Gesundheitswesen kann die ePA sein. Hier zeichnet sich aus meiner Sicht aber eine große Herausforderung ab: Gelingt es uns, einen sinnvollen Weg zwischen den hohen Datenschutzanforderungen und der für den Erfolg notwendigen einfachen Nutzbarkeit (Usability) durch die Versicherten zu gewährleisten? Aktuell droht das Projekt in der Debatte zwischen den Anforderungen des deutschen Datenschutzbeauftragten einerseits und den gesetzlichen Vorgaben andererseits zerrieben zu werden. Hier wird ein juristischer Streit auf dem Rücken der Kassen und vor allem der Versicherten ausgetragen. Die Versichertenperspektive kommt in dieser Debatte viel zu kurz. Wir sind überzeugt: Wenn Versicherte ihre Daten über die ePA mit Ärzten, Therapeuten oder Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge freiwillig teilen möchten, sollten sie das auch ohne hohe Hürden tun können.

Diese und noch viele weitere Themen begründen unsere Überzeugung, dass wir Krankenkassen uns als Vertreter unserer Versicherten in die Debatte um KI und Daten in der Medizin mit Fragen und Antworten einbringen müssen.

Nächste Termine zum SBK-Schwerpunktthema „Daten im Gesundheitswesen“:

Save the Date: Auf der DMEA präsentieren wir zum Thema einen Videobeitrag im Rahmen des „Solution Hub“.

Termine:        

Montag, 7. Juni 2021 von 15:25 Uhr bis 16:00 Uhr

Freitag, 11. Juni 2021von 8.55 Uhr bis 9:30 Uhr

 

* In der Online-Diskussionsveranstaltung haben die vier Expert*innen Claudia Liane Neumann, Prof. Dr. Alexandra Jorzig, Bart de Witte und Christine Ott beleuchtet, wo das deutsche Gesundheitssystem bei Datenaustausch und KI steht.

SBK Meinung: Daten im Gesundheitswesen – Zeit für einen Debatte

Bild Christine Ott

 

 

Die hier zur Verfügung gestellten Inhalte dürfen, unter Angabe der Quelle SBK Siemens-Betriebskrankenkasse, veröffentlicht werden.

Ich bin Ihre persönliche Ansprechpartnerin und freue mich auf Ihre Presseanfragen. 

Tel.: 089 62700-161

Mobil: 0151 59068354

E-Mail: elke.ruppert@sbk.org

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