DiGA im Fokus (2): Die digitalen Pflegeanwendungen kommen
Hintergrund: DiGA gelten als die Innovation im Gesundheitswesen. In unserer Reihe nimmt SBK-Expertin Christina Bernards sie genauer unter die Lupe (13.12.2021)
Während im Gesundheitswesen noch das Für und Wider der ersten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) diskutiert wird, winkt schon die nächste digitale Neuerung am Horizont: Die digitalen Pflegeanwendungen (DiPA) kommen! Im Sommer 2022 sollen die ersten DiPA auf dem Markt sein und Pflegebedürftige sowie deren Angehörige unterstützen. Die entsprechende Rechtsverordnung soll im Frühjahr 2022 in Kraft treten. Was erwarten wir als Krankenkasse von dieser digitalen Neuerung in der Pflege? Welche Chancen und Herausforderungen gibt es? Und vor allem: Was können wir aus der Einführung der DiGA für die DiPA lernen?
Was ist eine DiPA?
Wagen wir zunächst einen Blick in die Glaskugel: Welche Art von DiPA erwarten wir? Das Ziel der Anwendungen ist es, Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person zu mindern und einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken. Vorstellbar sind also beispielsweise Apps zur Verbesserung des Sprachvermögens oder zur Verbesserung von Muskelkraft und Fitness. Auch Apps zur Sturzprävention wie beispielsweise die SturzApp von Anbieter Lindera, mit dem die SBK bereits kooperiert, sind als DiPA denkbar. Wie genau die Unterscheidung zwischen DiPA und DiGA erfolgt, ist aktuell noch unklar. Das ist ein Aspekt, der auch bei der Finanzierung eine Rolle spielt – dazu mehr in der nächsten Folge unserer Reihe.
Eine Besonderheit der DiPA wird sein, dass sogenannte ergänzende Unterstützungsleistungen genehmigt werden können. Sie sollen von Angehörigen oder ambulanten Pflegediensten erbracht werden, sodass die Anwendung von Pflegebedürftigen korrekt eingesetzt werden kann.
Welche Voraussetzungen braucht es für einen Erfolg der DiPA?
Ich sehe es als große Chance der DiPA, dass sie wichtige Übungen, zum Beispiel für die Muskulatur oder für das Sprachvermögen, verstetigen können. Die Pflegebedürftigen können dank digitaler Helfer regelmäßiger üben. Dadurch können sie eine fortschreitende Pflegebedürftigkeit verlangsamen. Zudem profitieren sie von einem Gefühl der Selbstwirksamkeit, da sie im Optimalfall selbstständig etwas für sich tun können. Damit sich diese Vision realisiert, sind aus meiner Sicht drei Aspekte besonders wichtig:
Die unzureichende Information der Ärztinnen und Ärzte ist nach meiner Überzeugung einer der Gründe, warum die DiGA bisher recht schleppend angenommen werden. Dabei sind es Ärztinnen und Ärzte, die die DiGA verschreiben sollen. Übertragen auf die DiPA heißt das: Zusätzlich zu den Ärzt*innen müssen auch für das Pflegepersonal oder für betreuende Angehörige konkrete Erfahrungen mit den DiPA möglich sein. Dazu gehört auch, dass den Pflegenden Testzugänge zur Verfügung gestellt werden, damit sie sich mit den Angeboten vertraut machen können. Nur wenn sich die Mitarbeitenden der Pflegedienste sicher im Umgang mit DiPA fühlen, werden sie ihre Kund*innen aktiv an ihre Nutzung heranführen.
Pflegebedürftige sind zum Teil stark eingeschränkt. DiGA-Hersteller müssen die Situation ihrer Nutzer in der Entwicklung konsequent berücksichtigen. Ziel muss es sein, dass die DiPA von ihrer Zielgruppe weitestgehend selbstständig genutzt und zu Übungszwecken eingesetzt werden kann. Die Pflegebedürftigen profitieren zusätzlich von einem Gefühl der Selbstwirksamkeit.
Der ambulante Pflegedienst oder die Angehörigen sollen Pflegebedürftige dabei unterstützen, eine DiPA zu nutzen. Doch in der ambulanten Pflege herrscht häufig extremer Zeitdruck. Mitarbeitende haben das Gefühl, nicht ausreichend Zeit für die wichtigsten Tätigkeiten zu haben. Auch pflegende Angehörige stehen häufig unter extremem Druck. Sie müssen die Pflege mit ihrem Alltag in Einklang bringen. Damit sie dennoch bereit sind, die Pflegebedürftigen mit einer DiPA zu unterstützen, müssen die Vorteile für die Pflegenden klar zu erkennen und spürbar sein. Auch für sie muss es einen Mehrwert geben, beispielsweise indem sie dank größerer Selbstständigkeit der zu Pflegenden entlastet werden.
In der nächsten Folge unserer DiGA-Reihe geht es um die Finanzierung von digitalen Gesundheits- und Pflegeanwendungen sowie insbesondere um die Frage, warum uns die digitale Pflege so wenig wert ist.
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