DiGA im Fokus (1): "Wir brauchen mehr Transparenz und Vernetzung"

Hintergrund: DiGA gelten als die Innovation im deutschen Gesundheitswesen. In unserer Reihe nimmt SBK-DiGA-Expertin Christina Bernards sie genauer unter die Lupe (02.12.2021)

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Seit gut einem Jahr sind die DiGA nun Bestandteil der deutschen Versorgungslandschaft. Unser Fazit als Krankenkasse nach diesem Jahr fällt gemischt aus. Einerseits sind wir überzeugt, dass digitale Versorgungsformen eine immer wichtigere Rolle in der Versorgung spielen werden. Ihr Potenzial als Ergänzung bestehender Therapiekonzepte ist noch lange nicht ausgeschöpft. Aus dieser Warte ist die Einführung der DiGA ein richtiger Schritt. Andererseits sind nach wie vor viele wichtige Fragen rund um die digitalen Lösungen ungeklärt. Eine dieser Fragen ist die nach der Transparenz über die Nutzung und den Nutzen der DiGA. Eng damit verbunden ist die Frage nach dem Zusammenwirken von DiGA und den weiteren Akteuren der Gesundheitsversorgung.

Das fehlende Zusammenwirken zwischen den digitalen Anwendungen, dem medizinischen Fachpersonal und den Krankenkassen haben wir seit Einführung häufig kritisch angesprochen. Ich glaube, dass die DiGA ihr volles Potenzial erst ausschöpfen, wenn wir mehr Transparenz darüber herstellen, ob und wie die Patient*innen diese nutzen. Damit meine ich nicht die noch ausstehenden Nutzennachweise, die nun die DiGA-Anbieter in den kommenden Monaten erbringen werden müssen. Vielmehr geht es mir um ein stärkeres Verstehen, wie die „Versorgungsform DiGA“ von den Versicherten ganz konkret angenommen wird. Wie wird sie in analoge Behandlung integriert? Das ist nach meiner Überzeugung aus vier Gründen wichtig:

  1. Transparenz über Inanspruchnahme: Nur wenn behandelnde Ärztinnen und Ärzte wissen, ob und wie ein Patient eine DiGA nutzt, können sie diese sinnhaft in das Behandlungskonzept integrieren. Nutzt der Patient die DiGA nicht, können sie im Dialog mit dem Patienten gegebenenfalls Alternativen finden. Compliance und Therapietreue zählen zu den größten Herausforderungen der Medizin. Digitale Angebote bieten hier gute Ansatzmöglichkeiten für Verbesserungen. Sie können verhältnismäßig einfach den Nachweis erbringen, dass die Patient*innen die digitale Therapie auch tatsächlich nutzen. Ebenso können sie transparent machen, welchen Einfluss die beständige Nutzung auf den Gesundheitszustand hat.
     
  2. Vernetzte Versorgung im Sinne der Versicherten: Mit dem Wissen über die Aktivitäten des Patienten in einer digitalen Anwendung kann das medizinische Personal die Therapie darauf weiterentwickeln und optimieren. Auch wäre es denkbar, dass der Patient aufgrund seiner Eingaben eine Rückmeldung erhält, seinen Arzt einzubeziehen. Hier liegt noch viel ungenutztes Potenzial für eine kontinuierliche Therapieverbesserung.
     
  3. Datenbasiertes Lernen: Transparenz ist die Basis für Weiterentwicklung. Indem Wissen darüber zugänglich gemacht wird, mit welchem Ergebnis Patient*innen bestimmte digitale Anwendungen nutzen, können Weiterentwicklungen in den Therapieleitlinien angestoßen werden. Diese Daten können natürlich anonymisiert erhoben werden.
     
  4. Minimierung des Risikos, gesundheitsgefährdende Entwicklungen zu übersehen: Lassen Daten, die ein Patient über die DiGA generiert, auf eine gefährliche Zustandsverschlechterung schließen, sollte der behandelnde Arzt informiert werden. Kriterien für solche „Red Flags“ müssen in der DiGA entsprechend definiert werden. Der Patient kann dann kontaktiert und zu weiteren Schritten beraten werden. Aus Gesprächen mit DiGA-Herstellern wissen wir, dass die Frage eines möglichen Eingreifens in Notfällen sie aus den praktischen Erfahrungen heraus beschäftigt.

Vernetzung und Zusammenarbeit in der Versorgung sind nach meinem Verständnis die Grundlage einer besseren Versorgung. Das gilt nicht nur für DiGA. Diese könnten allerdings aufgrund ihres digitalen Ansatzes einen besonders einfachen Austausch von Daten ermöglichen und damit mehr Transparenz schaffen. Natürlich muss dabei immer die souveräne Entscheidung des Patienten darüber gelten, ob er die Vernetzung zwischen DiGA, medizinischem Personal und gegebenenfalls Krankenkasse möchte.

In der nächsten Folge unseres Hintergrundes zu digitalen Gesundheitsanwendungen werfen wir einen Blick Richtung Pflege. Wir wagen einen Ausblick, was wir von DiPA (digitale Pflegeanwendungen) erwarten können. 

Zusammenarbeit ist nach meinem Verständnis die Grundlage einer besseren Versorgung. Das gilt nicht nur für DiGA. Diese könnten allerdings aufgrund ihres digitalen Ansatzes einen besonders einfachen Austausch von Daten ermöglichen und damit mehr Transparenz schaffen.

Die hier zur Verfügung gestellten Inhalte dürfen, unter Angabe der Quelle SBK Siemens-Betriebskrankenkasse, veröffentlicht werden.

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