Digitale Präventionsangebote kommen
Hintergrund: SBK-Expertin Nadja Messingschlager berichtet über die Weiterentwicklung des Leitfadens Prävention (04.11.2020)
Gerade ist die erste Liste mit den erstattungsfähigen DiGAs veröffentlicht worden – und sie wächst kontinuierlich. Bereits fünf Anwendungen haben es geschafft: Die Kosten für ihre Nutzung werden jetzt von den Kassen erstattet. Im Vorfeld ist viel diskutiert worden über die Kriterien für eine Aufnahme von digitalen Angeboten in die Versorgung. In der DiGA-Verordnung sind die Details festgelegt.
Viel weniger öffentliche Aufmerksamkeit hat hingegen ein anderes Thema erhalten – dabei ist es für eine Weiterentwicklung von Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht minder von Bedeutung: Auch in der Prävention gibt es inzwischen zahlreiche digitale Angebote. Bisher wurden die Kosten dafür von den Kassen nur bedingt übernommen. Zu starr waren die Vorgaben, die die Angebote erfüllen mussten, zu sehr in der analogen Welt verhaftet. Ein Beispiel: Es gab eine feste Vorgabe, wie oft, wie lange und in welcher Frequenz ein Kurs abgehalten werden musste. Eine Online-Variante, die sich flexibel in den Alltag des Versicherten integrieren lässt, hatte in diesem Raster keinen Platz.
Weiterentwicklung des Leitfadens fast abgeschlossen
Anfang 2019 haben sich die Kassen daher an einen Tisch gesetzt und begonnen, über eine sinnvolle Weiterentwicklung des Leitfaden Prävention zu diskutieren und sich mit internen und externen Experten auszutauschen. Inzwischen sind die Grundzüge festgelegt, der neue Leitfaden soll bis Ende des Jahres finalisiert sein.
Für die SBK war Nadja Messingschlager, Fachexpertin für Individualprävention, an den Diskus-sionen beteiligt. Ihr Ziel: „Der Leitfaden muss neuartigen, qualitativ hochwertigen Präventionskursen im Onlineformat einen unkomplizierten Zugang bieten, damit unsere Versicherten von Innovationen profitieren.“ Die Erfahrungen, die Messingschlager bisher gemacht hat, haben gezeigt: Zu strikte Regelungen beschränken die Innovationskraft. Allerdings braucht es Rahmenbedingungen, die die Qualität der Angebote sicherstellen. Die Überarbeitung des Leitfadens ist damit eine Gratwanderung – zwischen Regelungen, über die der Nutzen und die Inanspruchnahme des Angebots nachgewiesen werden konnten einerseits und Gestaltungsfreiheit für die Kassen und Anbieter andererseits. Die Kassen-Expertin ist überzeugt: „Wir haben eine gute Lösung gefunden. Der Bereich der Individualprävention bietet uns als Kassen einen Freiraum, den wir in anderen Bereichen nicht haben. Den nutzen wir und zeigen, dass wir ganz im Sinne unserer Versicherten innovationsfreudig sind.“
Die Kernpunkte: Mehr Gestaltungsspielraum, Nutzennachweise, regelmäßige Evaluation des Leitfadens
So wird es beispielsweise – analog zu den DiGA – auch für digitale Präventionsangebote ein Fast-Track-Verfahren geben. Das gibt den Anbietern Zeit, den gesundheitlichen Nutzen ihres Angebotes im Rahmen einer Studie unter Beweis zu stellen. Auf dieser Basis der Studienergebnisse wird eine Mindestnutzungsdauer festgelegt, die erfüllt sein muss, um den gesundheitlichen Nutzen zu realisieren. „Gerade dieser Punkt war uns wichtig“, betont Messingschlager. „Bei den DiGA ist es so, dass wir die Kosten erstatten müssen, auch wenn wir nicht wissen, ob der Versicherte das Angebot überhaupt in Anspruch nimmt. Das macht aus unserer Sicht keinen Sinn.“ Bei den digitalen Präventionsangeboten muss der Anbieter – wie übrigens bei den analogen Angeboten auch – die Teilnahme des Versicherten bescheinigen.
Die Kassen haben sich zudem vorgenommen, die jetzt vorgenommenen Änderungen am Leitfaden Prävention bis 2025 einmal jährlich zu überprüfen und praxisorientiert weiterzuentwickeln. „Die Weiterentwicklung des Leitfadens hin zu einem Rahmen, der mehr Gestaltungsfreiheit gewährt, ist für uns alle etwas Neues gewesen – da kann es sein, dass das eine oder andere noch nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Deshalb haben wir fest vereinbart, dass es zu regelmäßigen Evaluationen kommt. Mir persönlich ist es wichtig, ab Inkrafttreten der neuen Regelungen im regelmäßigen Austausch mit Anbietern und Versicherten zu bleiben, um zu sehen, wo es vielleicht noch hakt und was wir verbessern können“, betont Nadja Messingschlager.
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