Drei Fragen an... Christian Keutel
Interview: Christian Keutel, Fachbereichsleiter Finanzen und Risikostrukturausgleich wirft anlässlich des ersten bundesweiten GKV-Tags einen Blick auf die Kassenfinanzen (26.03.2024)
Am 26. März 2024 ist #GKVTag. Die gesetzlichen Krankenkassen stellen an diesem Tag ein Thema in den Fokus, das aus Sicht der Versicherten relevant ist. Der erste #GKVTag widmet sich dem Thema nachhaltige Finanzierung. Wir haben dazu mit unserem Finanzexperten Christian Keutel gesprochen.
Christian, du bist Fachbereichsleiter Haushalt und Risikostrukturausgleich bei der SBK - also auch für unsere Haushaltsplanung verantwortlich. Wie geht es dir an diesem ersten GKV-Tag, an dem die Kassenfinanzen im Vordergrund stehen?
Ich blicke mit Sorge auf die Finanzsituation der GKV. Ich beschäftige mich bei verschiedenen Arbeitgebern seit 2009 ohne Unterbrechung mit den Finanzen der Gesetzlichen Krankenkassen. Seitdem sind die jährlichen Ausgaben von rund 171 Milliarden Euro auf mehr als 307 Milliarden Euro gestiegen. Das ist einfach enorm. Und die Politik hat bisher keine Lösung, wie diese Kostensteigerungen finanziert werden sollen. Ganz im Gegenteil. Durch die aktuellen Vorhaben, wie die Neugestaltung der Krankenhausstruktur, die geheimen Erstattungsbeträge für Arzneimittel oder die geforderte Entbudgetierung der Fachärzte, werden die Ausgaben in den nächsten Jahren weiter steigen. Und die einzige Lösung der Politik ist, diese Kosten auf die Beitragszahler - also Versicherte und Arbeitgeber - abzuwälzen. Die Sozialgarantie, die einmal versprochen wurde, ist inzwischen obsolet.
Gibt es denn keine Rücklagen, die verwendet werden können?
Nein, in den letzten Jahren war es politischer Wille die Rücklagen abzubauen. Die Kassen wurden gesetzlich dazu verpflichtet, diese in den Gesundheitsfonds abzuführen, um die steigenden Ausgaben abzufedern. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch nachzuvollziehen. Doch nicht in diesem Umfang. Wir prognostizieren, dass die GKV im nächsten Jahr unter die Mindestumlage rutscht. Eigentlich ist vorgesehen, 20 Prozent einer Monatsausgabe als Mindestrücklage vorzuhalten. Das wären GKV-weit rund 10,0 Milliarden Euro bzw. knapp 135 Euro pro Versicherten. Unsere Prognosen liegen bei 8,3 Milliarden Euro, sprich rund 113 Euro pro Versicherten - und das, ohne die Kosten für anstehende Vorhaben wie die diskutierte Entbudgetierung bei Fachärzten zu berücksichtigen. Das wäre ziemlich fahrlässig. Ohne Rücklagen ist das System und sind damit unsere Versicherten ohne Schutznetz für Unvorhergesehenes. Es gibt keinen Spielraum mehr.
Wie können wir uns aus dieser Situation befreien?
Jedenfalls nicht, indem zu Lasten der Beitragszahler immer mehr Geld ins System geschüttet wird. Es ist genug Geld da, es muss nur sinnvoll verteilt werden. Die Politik muss den Mut beweisen, echte Strukturreformen zu initiieren.
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