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Erfolgreicher erster Diversity in Health Congress 2022

Pressemitteilung: Sprecherinnen und Sprecher aus unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens zeigten auf, wo Diskriminierung stattfindet und wie wir diese bekämpfen können (23.03.2022)

Gestern fand der erste Diversity in Health Congress statt, den das WIG2 Institut gemeinsam mit der SBK Siemens-Betriebskrankenkasse veranstaltet hat. Zehn Referentinnen und Referenten erläuterten vor mehr als 300 Teilnehmenden im Rahmen einer Online-Veranstaltung, wo das Gesundheitssystem nicht oder zu wenig divers ist und wie wir diese Probleme lösen könnten. Aufgeteilt war der Kongress in drei Panels zu den Themen Medizin und Forschung, Versorgung sowie Parität in Organisationen des Gesundheitswesens. Die Veranstaltenden, das WIG2 Institut und die SBK, zeigen sich zufrieden mit dem ersten Kongress und den Rückmeldungen der Teilnehmenden. In Zukunft soll der Kongress regelmäßig stattfinden, um das Thema Diversität noch breiter zu beleuchten.

Im ersten Panel zum Thema Medizin und Forschung legte Prof. Sylvia Thun (Berlin Institute of Health an der Charité) die Vorteile von Künstlicher Intelligenz (KI) dar. Diese wird bereits in fast allen Medizinbereichen angewendet und ermöglicht schnellere und bessere Diagnosen. Leider ist häufig nicht transparent, ob KI Geschlechtsunterschiede bei ihren Algorithmen berücksichtigt. Dieses Thema muss deutlich stärker in das Bewusstsein der Anwender*innen von KI gebracht werden. Denn das Bewusstsein über einen möglichen Daten-Bias ist zwingende Voraussetzung, um mit KI angemessen umzugehen. So kann KI einen Daten-Bias beispielsweise herausrechnen. Sie muss allerdings dazu angeleitet werden. 
Thomas Altgeld (Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V.) erklärte, dass Männer in medizinischen Studien zwar überrepräsentiert sind, das Konstrukt Männlichkeit aber zu wenig berücksichtigt werde. In anderen Worten: Das biologische Geschlecht von Männern ist gut untersucht, das soziale Geschlecht hingegen kaum. Aktuell zeigen Männer „Männlichkeit“ oft dadurch, dass sie selten oder spät eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen und sich nicht therapietreu verhalten. Das hat unter anderem zur Folge, dass Amputationen bei männlichen Diabetespatienten deutlich häufiger vorkommen. Die Ansprache, auch von Krankenkassen, ist zu selten an Männer angepasst und erreicht sie daher nicht. 
Ralf Angermund (Janssen Deutschland) ergänzte die Runde mit Informationen darüber, dass Krebsmedikamente bei Menschen verschiedener Ethnien und Geschlechter unterschiedlich wirken und vertragen werden. Auch Tumore haben eine ungleiche genetische Zusammensetzung. Da die Zukunft der Krebstherapie aber ohnehin in der Präzisionsonkologie mit einer hochindividuellen, spezialisierten Therapie liegt und Tumore dafür genetisch untersucht werden müssen, werden Menschen zukünftig hoffentlich seltener aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Ethnie schlechter therapiert.

Gleiche Versorgung führt nicht zu gleicher Versorgungsqualität

Das Panel zum Thema Versorgung eröffnete Franziska Beckebans (SBK). Sie zeigte anhand der Patient Journeys eines männlichen Brustkrebs-Patienten und einer pflegenden Angehörigen, woran es scheitert, dass diese Menschen gut versorgt sind. Zu den Gründen gehören bürokratische Hürden und fehlende interdisziplinäre Zusammenarbeit. Auch fehlende Angebote wie flexible Sprechzeiten und Telemedizin verhindern eine passende Versorgung, insbesondere bei pflegenden Angehörigen. All diese Probleme führen zu späteren Diagnosen und somit einer deutlich schlechteren Prognose. Ergänzt wurden die Beispiele durch erste Studienergebnisse zur Versorgungssituation junger Eltern von Junior-Prof. Dennis Häckl (WIG2 Institut und Universität Leipzig).
Mina Luetkens (Patients4Digital) wies auf die Unterschiede zwischen subjektivem Krankheitsempfinden und klinischem Krankheitsbild hin, die sich häufig stark unterscheiden. Gleiche medizinische Behandlung führt nicht zwangsläufig zu gleicher und fairer medizinischer Versorgungsqualität. Aufgrund des bereits angesprochenen Daten-Bias setzen sich Fehler in der Versorgung fort, beginnend bei der Anamnese über die Diagnose, Behandlung und Verlaufskontrolle. Die Lösung ist in ihren Augen eine personalisierte Medizin, die kein Luxusgut sein darf und für alle verfügbar sein muss.
Sabine Maur (Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz) stellte dar, welche Probleme fehlende Diversität in der psychotherapeutischen Behandlung auslöst. Es fängt damit an, dass Psychotherapeutinnen und -therapeuten als Berufsgruppe wenig divers sind: Sie sind häufig weiß, weiblich und relativ privilegiert. Zudem haben sie kaum persönliche Erfahrungen mit Rassismus. Ein weiteres Problem aus dem Feld der psychischen Gesundheit ist, dass eine Transidentität immer noch als Krankheit definiert wird. Menschen, die ihren Personen- oder Namensstand ändern möchten, brauchen dafür unter anderem Gutachten von Ärztinnen oder Ärzten, Psychotherapeutinnen oder -therapeuten. Dies sollte sich baldmöglichst ändern, um die Stigmatisierung zu verringern.

Diverse Gremien für ein diverses Gesundheitssystem

Sevilay Huesmann-Koecke (PwC) begann im dritten Panel mit Einblicken in die obersten Führungsebenen im deutschen Gesundheitswesen. Hier ist der Frauenanteil im Vergleich von 2015 zu 2020 insgesamt sogar gesunken, vor allem bei Krankenhäusern und im Bereich Politik und Behörden. Auch wenn der Anteil bei Krankenkassen und in der Pharmabranche stieg, kann man in keinem Bereich der Gesundheitsbranche von Parität sprechen.
Andrea Galle (BKK VBU) wies darauf hin, warum Parität in den Gremien der Selbstverwaltung so wichtig ist: Sie treiben die Meinungsbildung voran und entscheiden, wie Gelder eingesetzt werden. In der Selbstverwaltung sind Männer jedoch überrepräsentiert und spiegeln daher die Diversität von Patientinnen, Patienten und Versicherten nicht wider. Nur paritätisch besetzte Gremien mit unterschiedlichen Sichtweisen können Entscheidungen treffen, die für alle passen und gerecht sind.
Was sich für medizinische Berufe ändern sollte, erklärte Jana Aulenkamp (Universitätsklinikum Essen und Deutscher Ärztinnenbund). Besonders Unikliniken sind heutzutage noch sehr hierarchisch organisiert, weswegen insbesondere Frauen mit Kindern auf Hürden treffen. Es bräuchte deutlich familienfreundlichere Konzepte wie Jobsharing und verlässlichere, flexiblere Arbeitszeiten. Auch Quoten können ein Instrument sein, um Frauen Aufstiegschancen zu ermöglichen – ohne dieses Hilfsmittel funktioniere es in ihren Augen noch nicht. Wenn Ärztinnen und Ärzte zukünftig diverser sein sollen, muss aber bereits bei der Ausbildung angesetzt werden: Abiturnoten sollten eine deutlich geringere Rolle für die Zulassung zum Studium spielen. Solange unser Bildungssystem Menschen diskriminiert, können auch Studierende in Studiengängen wie der Medizin nicht diverser werden.

Die hier zur Verfügung gestellten Inhalte dürfen, unter Angabe der Quelle SBK Siemens-Betriebskrankenkasse, veröffentlicht werden.

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