In der betrieblichen Praxis sind bei den Arbeitgebern im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Meldeverfahrens und aufgrund von verschärften Kontrollen und Strafen zur Vorlage der A1-Bescheinigung im EU-Ausland Unklarheiten entstanden, in welchen Fällen eine A1-Bescheinigung tatsächlich benötigt wird.
Es gibt keine zeitlichen Toleranzgrenzen für das Erfordernis der A1-Bescheinigung. Das heißt: Auch bei kurzen Auslandseinsätzen (z. B. bei Dienstreisen oder Montageeinsätzen von wenigen Tagen) wird eine A1-Bescheinigung benötigt. Das ist den Beteiligten in der betrieblichen Praxis oft nicht bewusst. In Österreich und Frankreich gibt es seit 2017 verschärfte Kontrollen, ob bei entsandten Arbeitnehmern eine A1-Bescheinigung vorliegt. Ist das nicht der Fall, drohen Arbeitgebern hohe finanzielle Strafen. Es ist deshalb besonders wichtig, dass Arbeitgeber bei Auslandseinsätzen immer die A1-Entsendebescheinigung beantragen und ihre Arbeitnehmer diese Bescheinigung beim Auslandseinsatz mitführen, auch wenn der Einsatz nur wenige Tage umfasst.
In der betrieblichen Praxis kommt es aber häufig zu sehr kurzfristigen Auslandseinsätzen, die es Arbeitgebern aufgrund der engen Zeitspanne kaum möglich machen, davor noch eine A1-Bescheinigung von der zuständigen Krankenkasse zu bekommen. Österreich und Frankreich als wichtige Entsendeländer haben deshalb zugesagt, bei Vorlage des Antrages im Rahmen der Vor-Ort-Prüfungen im Ausnahmefall von Sanktionen abzusehen, wenn die entsprechende A1-Bescheinigung nachgereicht wird.
Eine A1-Bescheinigung muss nicht ausnahmslos bei jedem Auslandseinsatz ausgestellt werden. Sie ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Das Unternehmen, das Arbeitnehmer entsendet, übt seine gewöhnliche Geschäftstätigkeit in Deutschland aus.
- Der Arbeitnehmer ist auch während des Auslandseinsatzes weiterhin auf Rechnung des
deutschen Arbeitgebers tätig. - Für den Arbeitnehmer haben die deutschen Rechtsvorschriften vor der Entsendung mindestens
einen Monat gegolten. - Der Auslandseinsatz dauert voraussichtlich nicht länger als 24 Monate.
- Die zeitliche Befristung ist von Vornherein festgelegt und ergibt sich beispielsweise aus einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung oder der Art der Tätigkeit (z. B. Projektarbeit).
- Der Arbeitnehmer löst keinen anderen Mitarbeiter des Unternehmens im Ausland ab.
Nur wenn alle vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind, gelten die deutschen Rechtsvorschriften
während des Auslandseinsatzes weiter. Nur dann wird auch die A1-Bescheinigung ausgestellt.
Beispiel: Martin Marx ist Architekt und arbeitet in Münster bei einem dort ansässigen Ingenieurbüro. Dieses Unternehmen setzt Martin Marx für voraussichtlich zwei Wochen für ein Projekt in Frankreich ein (erstmalige Entsendung ins Ausland).
Beurteilung: Es handelt sich um eine Entsendung, bei der auch während des Auslandseinsatzes die deutschen Sozialversicherungsvorschriften weiter gelten, da
- das Ingenieurbüro seine gewöhnliche Geschäftstätigkeit in Deutschland ausübt,
- die voraussichtliche Dauer der Entsendung 24 Monate nicht überschreitet,
- Herr Marx weiterhin auf Rechnung des Ingenieurbüros tätig ist,
- Herr Marx keine zuvor nach Frankreich entsandte Person ablöst.
Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, gelten während der Entsendung die Sozialversicherungsvorschriften
des Landes, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird. Die deutsche Beschäftigung ist dann sozialversicherungsrechtlich abzumelden.